Neuronale Plastizität

Aus Organspende-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Unter neuronaler Plastizität versteht man die Eigenart von Synapsen, Nervenzellen oder auch ganzen Hirnarealen, sich zwecks Optimierung laufender Prozesse nutzungsabhängig in ihrer Anatomie und Funktion zu verändern. Je nach betrachtetem System spricht man dabei z. B. von synaptischer Plastizität oder kortikaler Plastizität.

Der Psychologe Donald O. Hebb gilt als der Entdecker der synaptischen Plastizität. Er formulierte 1949 die Hebbsche Lernregel in seinem Buch "The Organization of Behavior". Im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jh. gaben Forschungen immer mehr Aufschluss über die plastische Formbarkeit des Gehirns, selbst weit in das Erwachsenenalter hinein.

Unter Neuroplastizität (neuronaler Plastizität) verstehen wir die Fähigkeit des ZNS, insbesondere des Gehirns, sich beständig den Erfordernissen des Gebrauchs optimal anzupassen. Dabei können neuronale Netzwerke reorganisiert werden, indem neue synaptische Verbindungen zwischen den Neuronen geknüpft und bereits bestehende gelöst werden. Nach Manfred Spitzer sterben wir "im Laufe des gesamten Lebens einen langsamen Tod ..., ohne wesentliche Veränderungen, ganz zu schweigen von weiterem Wachstum". Doch unser Gehirn ist ein höchst flexibles Organ: Michael Merzenich implantierte Patienten, die aufgrund einer Innenohrerkrankung taub wurden, ein Chchlea-Implantat. Die frisch operierten Patienten hörten wochenlang nur irritierende Geräusche. Nach einem Jahr konnten jedoch einige Patienten längere Telefongespräche führen. Dies war nur dadurch möglich, weil im Gehirn ein massiver Umbauprozess stattgefunden hat, wobei die Patienten gelernt haben, die ungewohnten elektrischen Signale des Implantats richtig zu interpretieren.[1]

Laurie von Melchner und Mitarbeiter durchtrennten bei neugeborenen Frettchen den Sehnerv, der sich jedoch regenerierte, jedoch nicht mit dem Sehzentrum zusammenwuchs, sondern mit dem Hörzentrum im Schläfenlappen. Dies führte nicht dazu, dass das Frettchen Lichtsignale als Töne interpretierte, sondern es lernte mit dem Hörzentrum zu sehen. Hierzu hat sich diese Hirnregion zu einem Sehzentrum umorganisiert. Dies ist ein beeindruckendes Beispiel für die Plastizität des Nervensystems und seine Fähigkeit zur Selbstorganisation.[2]

Untersuchungen haben gezeigt, dass das Sehzentrum reagiert, wenn Blinde die Blindenschrift "Braille" lesen.[3]

Arno Villringer: "Auf der Stufe von Geweben kann man strukturelle Veränderungen im Zeitraum von Minuten bis Stunden gut nachweisen. Das wurde vor allem in Tierversuchen zum Lernen gut untersucht."[4]



Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. J. Caspar Rüegg: Gehirn, Psyche und Körper. Neurobiologie von Psychosomatik und Psychotherapie. 5. Aufl. Stuttgart 2011, 19.
  2. J. Caspar Rüegg: Gehirn, Psyche und Körper. Neurobiologie von Psychosomatik und Psychotherapie. 5. Aufl. Stuttgart 2011, 18f.
  3. J. Caspar Rüegg: Gehirn, Psyche und Körper. Neurobiologie von Psychosomatik und Psychotherapie. 5. Aufl. Stuttgart 2011, 19.
  4. Felix Hasler: Es geht auch (fast ohne Hirn. (09.06.2016) Nach: https://www.beobachter.ch/gesellschaft/forschung-es-geht-auch-fast-ohne-hirn Zugriff am 22.02.2020.