Gleich gültig

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Eigene Texte

Gleich gültig?

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Freiwilligkeit und Gleichgültigkeit:

Freiwillig seine Organe zu spenden ist ein "Akt der Nächstenliebe" (DBK EKD 1990), ist ein "Akt der Solidarität mit den Kranken" (Papst Franziskus).

Es ist nicht gleich gültig und nicht gleich wertig, ob man Organe spendet oder nicht. Mit jedem "Ja" zur Organspende kann durchschnittlich 3 Menschenleben gerettet werden. - Das hat Wert.

Unterlassene Hilfeleistung ist ein Straftatbestand des Strafrechts, der nach § 323c StGB geahndet wird.

(1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in diesen Situationen eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder leisten will.

Im Zusammenhang mit der Organspende besteht keine "erhebliche eigene Gefahr", noch nicht einmal eine geringe "eigene Gefahr", denn der Hirntod muss vorliegen. - Bei der Organentnahme wird dem Körper eine Verletzung zugefügt, bei der Kremierung für die Urnenbestattung[1] wird der Körper zerstört.

Zur Frage der Organspende muss ach § 2 TPG "ergebnisoffen" aufgeklärt werden. Dabei darf nicht gesagt werden, dass Organspender Lebensretter sind, dass Organspende Menschenleben rettet.

Mit Organspende kann man Hilfe leisten, kann man Menschen vor dem drohenden Tod bewahren. Die ergebnisoffene Aufklärung bei der Organspende ließ die Hilfeleistung völlig verschwinden. Wahrnehmbar ist nur noch eine Gleichgültigkeit, ob Organe gespendet werden oder nicht. Dieser Gleichgültigkeit verlieh man den Deckmantel "Selbstbestimmung".

Niemandem soll die Selbstbestimmung genommen werden. Die Frage um Organspende sollte jedoch aus der Ecke der Gleichgültigkeit herausgerissen und dem Bereich der "Hilfeleistung" zugeführt werden.

Eine Überlegung

Was ist uns die Rettung eines Menschenenlebens wert?

Hierzu gibt es verschiedene Beispiele, die nachdenklich stimmen:
Christlich
Für die Juden war der Sabbat heilig. Es durfte am Sabbat nur eine kurze Wegstrecke (Sabbatweg = Apg 1,12) gehen. Auch durften Juden keine Arbeit verrichten, auch kein Feuer machen (Ex 35,3). Orthodoxe Juden fahren deswegen heute am Sabbat kein Auto. Das Sabbatgebot ist ein Teil des Dekalogs (= 10 Gebote):

  • "Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!" (Ex 20,8)
  • "Darum hat der HERR den Sabbat gesegnet und ihn geheiligt." (Ex 20,11)
  • "Darum haltet den Sabbat; denn er soll euch heilig sein. Wer ihn entweiht, hat den Tod verdient;" (Ex 31,14)
  • "Sechs Tage darf man arbeiten; der siebte Tag aber ist Sabbat, heilige Ruhe für den HERRN. Jeder, der am Sabbat arbeitet, hat den Tod verdient." (Ex 31,15)
  • "Sechs Tage darf man arbeiten; der siebte Tag sei euch heilig, Sabbat, Ruhetag für den HERRN. Jeder, der an ihm arbeitet, hat den Tod verdient." (Ex35,2)

Trotz dieses heiligen Sabbatsgebot heilte Jesus auch am Sabbat:

  1. Den Mann mit der verdorrten Hand (Mt 12,9-13 // Mk 3,1-6; Lk 6,6-10)
  2. Frau mit 18 Jahren krummen Rücken (Lk 13,10-14)
  3. Mann mit Wassersucht (Lk 14,1-6)
  4. Der seit 38 Jahren gelähmte Mann (Joh 5,5-9)
  5. Der seit Geburt blinde Mann (Joh 9,1.6f.13f)

Jesus hielt den aufgebrachten Pharisäer und Schriftgelehrten einen Spiegel vor, indem er ihnen sagte:

  • "Ihr Heuchler! Bindet nicht jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von der Krippe los und führt ihn zur Tränke?" (Lk 13,15)
  • "Wer von euch wird seinen Sohn oder seinen Ochsen, der in den Brunnen fällt, nicht sofort herausziehen, auch am Sabbat?" (Lk 14,5)
  • "Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat." (Mk 2,17)

So zeigen diese Wunderheilungen Jesu am Sabbat überdeutlich, dass es Gottes Wille ist, dem Leben zu dienen, nicht blind und gedankenlos irgendwelchen Gesetzen. Selbst wenn es die 10 Gebote sind. Auch sie sind dazu da, um dem Leben zu dienen. Wo sie jedoch Leben verhindern, sind sie zu ignorieren.
Jüdisch
"Und wer ein einziges Leben (aus Israel) gerettet hat, die Schrift rechnet es ihm an, als ob er eine ganze Welt gerettet hätte." (Talmud)
Muslimisch
"Wer einen Menschen tötet, für den soll es sein, als habe er die ganze Menschheit getötet. Und wer einen Menschen rettet, für den soll es sein, als habe er die ganze Welt gerettet." (Sure 5,32)
Straßenverkehr
Wenn die Verkehrsampel grün leuchtet, darf man die Kreuzung befahren.
Man darf dies trotz "Grün" jedoch nicht, wenn mit Blaulicht und Martinshorn ein Notarzt, ein Rettungswagen, die Feuerwehr oder die Polizei auch in die Kreuzung einfahren wollen. Diesen hat man trotz "Grün" Vorfahrt zu gewähren, weil es um das Leben geht: Leben hat Vorfahrt.
Im Straßenverkehr ist es für uns selbstverständlich. Wenn es um Organtransplantation geht, soll plötzlich Leben keinen Vorrang haben.

Von der gleichen Gültigkeit zur Gleichgültigkeit

Gleich gültig?

Bei der Frage, ob man bereit ist, im Falle seines Hirntodes Organe spenden zu wollen, betonen Kirche und Staat, dass die Beratung ergebnisoffen und neutral erfolgen solle. Die Entscheidung, einer Organentnahme zuzustimmen oder ihr zu widersprechen, sei gleich richtig. Beide Entscheidungen hätten gleiche Gültigkeit. Stimmt dies?

„Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.“ (Was du auch tust, tue es klug und bedenke das Ende!) Dieses Zitat wird dem griechischen Geschichtsschreiber Herodot (485-425 v.Chr.) zugeschrieben. Gleiches Gedankengut findet sich auch in der Bibel. „Was du auch tust, bedenke das Ende, so wirst du nicht sündigen in Ewigkeit.“ (Sir 7,36) Ähnlich heißt es auch  in Sir 18,24 und 28,6.

Bezüglich dieses Zitates sollte der Blick auf das Ende gelenkt werden. Die Entscheidung, ob im Falle des Hirntods Organe gespendet werden, hat nicht den Hirntoten im Blick, sondern den Organpatienten. Für Nieren-Patienten gibt es – trotz und mit all den Beschwernissen und Einschränkungen - die Dialyse als Nieren-Ersatztherapie. Eine Nierentransplantation würde die Lebensqualität steigern und das Leben verlängern. Für Herz-, Lungen- und Leber-Patienten gibt es nichts Vergleichbares. Für sie gibt es mittelfristig nur den Tod.

Am Ende entscheidet das „Ja“ oder „Nein“ über Leben oder Tod des Organpatienten. Wenn man bedenkt, dass ein Organspender durchschnittlich 3,x Organe spendet, kann man sagen, dass ein Organspender 3 Organpatienten vor dem drohenden Tod bewahren kann. Somit multiplizieren sich die Folgen um den Faktor 3.

Damit kann man aber nicht sagen, dass bei der Frage zur Organspende das „Ja“ gleich gültig zum „Nein“ sei. Vielmehr muss man sagen, dass dieses „Ja“ oder „Nein“ eines Hirntoten für 3 Menschen über Leben und Tod entscheidet.

Dass bei der Frage der Organspende das „Ja“ gegenüber dem „Nein“ gleich gültig sei, führt zu einer Gleichgültigkeit gegenüber den Organpatienten, dabei geht es für diese um Leben oder Tod. Anscheinend nehmen Viele es in ihrer Gleichgültigkeit gegenüber dieser Entscheidung hin, dass nach aktuellen Zahlen täglich zwei Organpatienten sterben, deren Leben mit ausreichend zur Verfügung stehenden Organen die Ärzte hätten retten können.

Es ist somit höchste Zeit, dass von der gleichen Gültigkeit und der daraus resultierenden Gleichgültigkeit Abschied genommen wird. Es ist dringend erforderlich, zu betonen, dass jedes „Ja“ eines Organspenders durchschnittlich das Leben von 3 Organpatienten retten kann.


Texte anderer Verfasser

Gleich gültig oder „gleichgütig“ ?

Schon vor vielen Jahren traf ich für mich die Entscheidung, einen Organspende-Ausweis in meinen Papieren bei mir zu tragen.

Dann kam mein erster Enkelsohn auf die Welt und es stellte sich heraus, dass er mit bereits geschlossener Fontanelle geboren war. Um seine körperliche und geistige Entwicklung zu gewährleisten, blieb nur die Option einer Operation.

Ich versuchte, die junge Mutter nach Möglichkeit zu unterstützen. Auch bei der ersten Untersuchung im Uni-Klinikum war ich dabei. Mir war klar, dass Über-legungen erforderlich sind, was zu geschehen hat, wenn der kleine Kerl den Eingriff eventuell nicht überstehen würde. Also besprach ich mit meiner Tochter das Für und Wider einer Organspende-Einwilligung. NEIN, das Leben meines Enkels war mir nicht gleichgültig, aber ich wusste, dass seine Organe, sollte der Eingriff finale Komplikationen erbringen, helfen könnten, z.B. das Leben eines anderen Kindes zu retten. Seine dann nicht mehr zu nutzenden Organe wären GLEICH GÜLTIG für einen anderen Menschen.

Damals war ich sehr froh, dass meine Tochter für meine Gedanken und Vor-schläge offen war und so lag vor der OP in der Patienten-Akte der Organ-spende-Ausweis für ihren Sohn.

Später erzählte sie mir, dass die Ärzte (vor nun über 30 Jahren) überrascht waren, dass eine junge Mutter solch eine Entscheidung traf. Und auch, als nach einem Jahr ein zweiter Eingriff notwendig wurde, lag der Ausweis ebenfalls parat.

Wir sind dankbar, dass damals alles gut verlaufen ist und inzwischen schon die nächste Generation heranwächst!

FAZIT: Das Leben eines Menschen ist mir nicht ‚gleichgültig‘ , sondern es kann, DANK einer vorher gemachten Zusage zur Organspende, für einen Schwer -kranken „Gleich Gültig“ werden.

Kathleen Thoma-Auerbach

August 2024


Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Im Jahr 2012 betrug der Anteil der Urnenbestattungen in Deutschland 64%, im Jahr 2021 waren es 77%. Siehe: Unversehrt