IHA
Das, was wir Rose nennen, würde unter jedem anderen Namen ebenso lieblich duften.[1] |
Festlegung des IHA
Am 30.03.2015 gab das Bundesministerium für Gesundheit die "Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TPG für die Regeln zur Feststellung des Todes nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TPG und die Verfahrensregeln zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG" bekannt und setzte sie am 06.06.2015 in Kraft.[2] Darin heißt es auf Seite 16:
Der umgangssprachliche Begriff "Hirntod" wurde durchgehend ersetzt durch die naturwissenschaftlich-medizinisch korrekte Bezeichnung "irreversibler Hirnfunktionsausfall". |
Argumente gegen die Verwendung des Begriffs "IHA"
Die Argumente gegen die Verwendung des Begriffs "IHA" sind vielfältig wie auch gewichtig:
- Anfrage an die naturwissenschaftlich-medizinische Korrektheit
Davon ausgehend, dass diese Namensänderung auf dem Hintergrund erfolgte, dass zum Zeitpunkt der Feststellung des IHA noch nicht alle Gehirnellen abgestorben sind, sondern dass das Gehirn erst im Zustand des IHA ist, muss entgegengesetzt werden, dass beim normalen Tod auch nicht schlagartig alle Körperzellen keinen Stoffwechsel haben. Selbst bei der 2. Leichenschau ca. 2 Stunden nach dem letzten beobachteten Pulsschlag haben noch zahlreiche Körperzellen Stoffwechsel, siehe intermediäres Leben. - Es stellt sich daher die Frage, warum man beim IHA anders verfahren soll. Auch wenn beim eingetretenen IHA ein gewisser Anteil der Gehirnzellen noch Stoffwechsel aufweist, so ist das Gehirn damit nicht mehr in der Lage zu funktionieren. - Abschwächung des Todes
Beim Begriff "Hirntod" ist der "Tod" ein Wortbestandteil. Damit wird klar ausgedrückt, dass hier Tod vorliegt, unbestritten der Tod der Gehirnzellen; für Medizin und Justiz weltweit der Tod des Menschen.
Was sagt dagegen der IHA aus? Handelt es sich dabei um einen dauerhaft bewusstlosen Menschen? Auch wenn das "irreversibel" vorangestellt ist, so bleibt es doch ein "Funktionsausfall". Damit ist eher die Verbindung zum Koma gegeben, als zum Tod. Der Hirntod ist jedoch deutlich vom irreversiblen Koma zu unterscheiden. Damit fehlt beim IHA der klare Bezug zum Tod und ist als Begriff für den Hirntod abzulehnen. - Etikett und Inhalt
Dem Weinkenner ist es gleichgültig, welches Etikett auf der Flasche ist, wenn nur der richtige Wein in der Flasche ist. - Ob nun "Hirntod" oder "IHA", es ändert nichts am pathophysiologischen Zustand des Hirntoten. - "Hirntoter" oder was?
Der Tote mit IHA wird als "Hirntoter" bezeichnet. Streng genommen müsste er bei einem Mann "Hirnfunktionsausgefallener" und bei einer Frau "Hirnfunktionsausgefallene" heißen, oder vergleichbare Begriffe, vielleicht auch "IHA-ler" und "IHA-lerin". Es ist kaum vorstellbar, dass es dazu kommen wird. - Wortverbindungen
Es gibt verschiedene Wortverbindungen mit "Hirntod", wie z.B. "Hirntodkonzept" und "Hirntodkriterium". Wie sollen diese künftig genannt werden? - Die Abkürzung "IHA" ist bereits mehrfach besetzt.[Anm. 1]
- Klarer Begriff
Beim normalen Tod sagen wir nur ganz einfach "Tod" und nicht "irreversibler Herz- und Atmungsausfall". Warum dann diese Verkomplizierung beim Hirntod? - Kaum Nachfolger
Am 10.03.2017, also fast 2 Jahre nach Einführung dieser Änderung fand Google 14 Seiten mit diesem Begriff und seiner Abkürzung "IHA"[3] und 5 Seiten mit der Abkürzung "iHfa" "iHFA" bzw. "IHFA"[4] und ungefähr 1.920 Ergebnisse mit "irreversibler Hirnfunktionsausfall". - Schwer aussprechbare und uneinheitliche Abkürzung
Am 10.03.2017 kannte Google 14 Abkürzungen "IHA", 3 Abkürzungen "iHfa", je 1 Abkürzung "iHFA" und "IHFA". Dem gegenüber ist "Hirntod" klarer auszusprechen.
Statistik 2023
Im Jahr 2023 wurde eine kleine Statistik zum IHA und Hirntod durchgeführt.
Im internationalen Vergleich zeigt es sich per Google-Suche so:
Suchbegriff | Nat | IHA | Hirntod | Anteil (%) |
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irreversibler Hirnfunktionsausfall | DE | ca. 6.630 | ca. 310.000 | 21,39 |
irreversible brain dysfunction | US | ca. 6.880 | ca. 2.140.000 | 3,21 |
perte irréversible des fonctions cérébrales | FR | ca. 271 | ca. 224.000 | 1,21 |
disfunzione cerebrale irreversibile | IT | ca. 2 | ca. 134.000 | 0,01 |
onomkeerbare hersendisfunctie | NL | - | ca. 44.300 | 0 |
nieodwracalna dysfunkcja mózgu | PL | ca. 5 | ca. 7120 | 0,7 |
disfunção cerebral irreversível | PT | ca. 9 | ca. 310.000 | 0,03 |
необратимая потеря функций мозга | RU | ca. 1 | ca. 70.200 | 0,01 |
Für eine Metaanalyse wurden 1.009 Hochschulschriften mit "Hirntod" im Text zusammengetragen. Davon wurden 541 nach dem Jahr 2015 verfasst. Von den 1.009 Hochschulschriften haben 10 den Terminus "irreversibler Hirnfunktionsausfall" verwendet. Das sind weniger als 1%.
Am 11.08.2023 wurde über das Internet recherchiert:[Anm. 2]
Quelle | BÄK | Dtsch Arztebl | By Arztebl | Schweizerische Ärztezeitung | Österreichische Ärztezeitung | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Jahr | IHA | Hirntod | IHA | Hirntod | IHA | Hirntod | IHA | Hirntod | IHA | Hirntod |
"2012" | 22 | 16 | 8 | 44 | 26 | 41 | - | 15 | - | 2 |
"2013" | 22 | 17 | 9 | 25 | 24 | 87 | - | 47 | - | - |
"2014" | 17 | 15 | 8 | 21 | 26 | 43 | - | 13 | - | - |
"2015" | 25 | 15 | 13 | 32 | 30 | 37 | - | 14 | - | - |
"2016" | 23 | 10 | 10 | 23 | 74 | 31 | - | 40 | - | - |
"2017" | 22 | 9 | 8 | 20 | 27 | 24 | - | 22 | - | 1 |
"2018" | 27 | 9 | 10 | 25 | 30 | 18 | - | 55 | - | - |
"2019" | 20 | 7 | 10 | 23 | 26 | 17 | - | 19 | - | - |
"2020" | 24 | 7 | 11 | 5 | 29 | 49 | - | 25 | - | - |
"2021" | 14 | 3 | 7 | 6 | 46 | 7 | - | 2 | - | - |
"2022" | 23 | 6 | 5 | 8 | 32 | 7 | - | 7 | - | - |
"2023" | 9 | 2 | 2 | 1 | 41 | 8 | - | 24 | - | 1 |
In der Österreichischen Ärztezeitung ergab die Suchfunktion für "Hirnfunktionsausfall" kein Ergebnis und für "Hirntod" 4 Ergebnisse. Die Internetseite der Österreichischen Ärztekammer ergab für "Hirnfunktionsausfall" 13 Ergebnisse und für "Hirntod" 77 Ergebnisse.
Internationaler Vergleich
In den großen Weltsprachen der Gegenwart wird der Hirntod mit dem Tod des Gehirns bezeichnet, nicht mit dem irreversiblen Hirnfunktionsausfall.
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Diese Übersetzungen wurden von Google vorgenommen am 10.03.2017.
Auch wenn man die Sprachen nicht beherrscht, so kann man doch an den Zeichen deutlich erkennen, dass die beiden Wörter "Gehirn" und "Tod" als Wortteile im "Hirntod" vorhanden sind, nur nicht im Deutschen. Dort wird aus "Gehirn" und "Tod" der "IHA".
Der pragmatische und international gebräuchliche Begriff "Hirntod" soll nun durch die naturwissenschaftlich-medizinisch korrekte Bezeichnung "irreversibler Hirnfunktionsausfall" ersetzt werden.
Hier im Organspende-Wiki wie auch allen von mir verfassten Büchern werde ich daher dieser Aufforderung nicht Folge leisten.
Stimmen gegen die Bezeichnung IHA
Einer der Ersten, die gegen die Bezeichnung "irreversibler Hirnfunktionsausfall" für den Zustand des "endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen" (§3 TPG) schrieben, war Dag Moskopp. Er schrieb 2015 in seinem Buch "Hirntod" auf Seite 18:
Im dialektischen Diskurs hierzu lässt sich selbstverständlich das Argument vorbringen, dass man eher zu der Bezeichnung 'irreversibler Hirnfunktionsausfall' tendiere, um die begriffliche Identifikation mit einem einzigen Todesbegriff zu schärfen. Damit also nicht unsachgemäß angenommen würde, es gäbe verschiedene Tode - u.a. einen Herztod und einen Hirntod, etc.. Ein solches Argument wäre letztlich formal verständlich. Demgegenüber wiegt aber inhaltlich weit mehr, dass im Volk, und leider auch in der jüngsten Kommentar-Diktion des Deutschen Ärzteblattes (...) nicht zwischen Bezeichnung und Begriff unterschieden wird. Vielmehr wird hier einmal mehr ungeschickt mit Sprache umgegangen, etwa wenn der Präsident der Bundesärztekammer zitiert wird: 'Der umgangssprachliche Begriff ,Hirntod, hat zu Missverständnissen geführt.' Gemeint sein kann doch nur: 'die Bezeichnung Hirntod', denn am 'Begriff' hat sich objektiv nichts geändert, und am 'Begriff' ändert auch die neue Fortschreibung nichts. Sondern es wird eine neue Bezeichnung gewählt. So lange aber derart unsensibel mit Sprache umgegangen wird, suggeriert das naturgemäß, dass sich etwas am 'Begriff' ändert, wenn man die 'Bezeichnung' ändert. Man möchte den Vergleich mit einer Flasche 'Veuve Cliquot' anstellen: das Etikett 'Veuve Cliquot' ist die 'Bezeichnung', der Flascheninhalt, der Champagner, wäre analog zum 'Begriff'. Wie hier und an anderer Stelle dargelegt, ändert der Wissenschaftliche Beirat mit seiner jetzigen Publikation lediglich das Etikett (aus 'Hirntod' wird 'irreversibler Hirnfunktionsausfall'), aber der Inhalt (der Begriff Hirntod) ändert sich nicht.[5] |
Im Jahr 2019 schrieb Dag Moskopp in einem Buchartikel:
Ob sich die von der Bundesärztekammer 2015 für den unveränderten Begriff 'Hirntod' vorgeschlagene Bezeichnung 'irreversibler Hirnfunktionsausfal' (IHA) sprachlich im deutschen Idiom durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Der Terminus findet sich bereits bei Gerstenbrand (1967). Neben grundsätzlichen Zweifeln (ob eine Etikettenänderung bei Begriffskonstanz mehr klärt als verunsichert), erweist sich diese elfsilbig Bezeichnung in der Praxis als sperrig. Und wenn ein vormaliger Patient nach Feststellung des Hirntodes folgerichtig und mit drei Silben als Hirntoter zu bezeichnen ist, versagen allein hierzu alle sprachlich konstruierbaren IHA-Ableitungen.[6] |
Anhang
Anmerkungen
- ↑ Die Abkürzzung "IHA" ist bereits mehrfachbesetzt (Zugriff am 13.03.2017):
- Intereuropean Human Aid Association (IHA)
- Hotelverband Deutschland (IHA) e.V.
- International Hydropower Association
- ]http://www.hydraulik-akademie.de/de/impressum.html Internationale Hydraulik Akademie GmbH]
- Integrated Healthcare Association
- Institute for Healthcare Advancement
- International Housewares Association (IHA)
- Ice Hockey Australia
- Intel Hub Architecture
- İhlas Haber Ajansı (türk. Nachrichtenagentur)
- International Hapkido Alliance
- ↑ Der betreffende Suchbegriff lautete "Hirnfunktionsausfall 2012" bzw. "Hirntod 2012". In den folgenden Jahren wurde das Jahr entsprechend geändert.
Einzelnachweise
- ↑ Dean Burnett: Unser verrücktes Gehirn. Über Blackouts, Aberglaube, Seekrankheit – wie uns das Gehirn austrickst. München 2018, 193.
- ↑ DSO: Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls. Nach: https://www.dso.de/organspende-und-transplantation/todesfeststellung.html Zugriff am 22.12.2018.
- ↑ Es handelte sich hierbei um diese Seiten:
- http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/irrev.Hirnfunktionsausfall.pdf
- https://www.dso.de/uploads/tx_dsodl/Einzelfallanalyse_ausfuellbares_PDF_11_2015.pdf
- https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0042-118530.pdf
- https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/html/10.1055/s-0042-118530
- https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/s-0042-118530?lang=de
- http://www.divi.de/images/DIVIKongress/DIVI2016/01.12.2016/Hirntoddiagnostik%20Kritischer%20Diskurs%20im%20Wandel%20der%20Zeiten/Wertheimer%20-%20Fachliche%20Stellungnahme%20zur%20Hirntoddiagnostik%20im%20gesellschaftlichen%20Diskurs.pdf
- https://www.organspende-info.de/organ-und-gewebespende/verlauf/hirntod
- http://www.dasdiak.de/bildungsangebote/untermenue/vorsprung-durch-wissen-fort-und-weiterbildung/alle-mitarbeitenden.html?tx_aseventcalendar_pi2%5Bselect_monat%5D=1475272800&tx_aseventcalendar_pi1%5Bselect_monat%5D=1475272800&tx_aseventcalendar_pi5%5Bselect_monat%5D=1475272800&tx_aseventcalendar_pi2%5Bpage%5D=0&tx_aseventcalendar_pi2%5Btimestamp%5D=1475272800
- http://link.springer.com/article/10.1007/s00058-016-2099-2
- http://www.heilberufe-online.de/pflegekolleg/hb/artikel/hb_2016_04_39_artikel.pdf
- http://www.walter-brendel-kolleg.de/assets/downloads/WBK%202017%20Progr-Vs%204.3.pdf
- http://www.dgni.de/presse/pressemeldungen.html
- http://docplayer.org/17230784-Die-registrierung-fuer-die-kolleg-teilnehmer-ist-am-freitag-26-februar-2016-ab-15-00-uhr-im-dorint-hotel-martinistrasse.html
- http://exploredoc.com/doc/8068536/allgemeine-informationen---walter-brendel Zugriff am 10.03.2017.
- ↑ Es handelt sich hierbei um 4 Internetseiten, allesamt zum Transplantationsrecht, und 1 Buchquelle "Angewandte Ethik in der Neuromedizin":
- http://transplantationsrecht.eu/?page_id=584
- http://transplantationsrecht.eu/?paged=10
- http://transplantationsrecht.eu/?p=1395
- http://transplantationsrecht.eu/?m=201603
- https://books.google.de/books?id=qiWgDQAAQBAJ&pg=PA176&lpg=PA176&dq=%22irreversibler+hirnfunktionsausfall%22+ihfa&source=bl&ots=GcYh8620lZ&sig=VLIEivD1ju4x2J50aX3GgtPhhas&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwi045KOqszSAhXIFZoKHXJ0Di8Q6AEIFzAB Zugriff am 10.03.2017.
- ↑ Dag Moskopp: Hirntod, 18.
- ↑ Dag Moskopp: Hirntod: Konzept und Kontext. In: Stephan M. Probst: Hirntod und Organspende aus interkultureller Sicht. Leipzig 2019, 22.