SAMW 2005
Feststellung des Todes mit Bezug auf Organtransplantationen (2005)
Am 24.05.2005 genehmigte der Senat der SAMW die Schrift "Feststellung des Todes mit Bezug auf Organtransplantationen".[1] Darin heiß es:
Einleitung
Die ersten von der SAMW 1969 veröffentlichten Richtlinien behandelten die Definition des Todeszeitpunktes. Sie wurden damals als Hilfe für diejenigen Ärztinnen und Ärzte konzipiert, die die Transplantationseinheiten aufbauten. Es ging also um die spezielle Situation, bei einem Menschen mit Sicherheit den totalen und irreversiblen Funktionsausfall des Gehirns festzustellen, aber gleichzeitig die zu transplantierenden Organe durch kurzfristige Perfusion und Oxygenierung vital zu erhalten. Die Richtlinien haben sich zu diesem Zweck wie auch in anderen intensivmedizinischen Bereichen als nützlich erwiesen, wie ihre regelmässige Befolgung in der Schweiz und ihre Übernahme in verschiedenen anderen Ländern zeigen. Im neuen Bundesgesetz vom 8. Oktober 2004 über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen wird das Todeskriterium dahingehend definiert, dass der Mensch tot ist, «wenn die Funktionen seines Gehirns einschliesslich des Hirnstamms irreversibel ausgefallen sind». Als Folge sterben alle Organe, Gewebe und Zellen unabwendbar ab. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Ausfall Folge einer direkten Schädigung des Gehirns ist, oder eines irreversiblen Herz-Kreislaufversagens mit daraus folgendem vollständigem Ausfall der Hirnfunktionen. Die Modalitäten der Feststellung des Todes und die Festlegung der Anforderungen an die Ärzte, die den Tod feststellen, sind Gegenstand einer vom Bundesrat zu erlassenden Verordnung. (S. 2) |
Aufgrund bisheriger Erfahrungen betonen die Richtlinien, ab-gesehen vom präzise einzuhaltenden praktischen Vorgehen (Kapitel 2 und 3), besonders das ethisch und psychologisch angemessene Verhalten aller bei der Vorbereitung einer Organentnahme beteiligten Personen (Kapitel 4 und 5).
Sterbeprozess und Tod sind natürliche Vorgänge; in den meisten Fällen existiert kein äusserer Anlass, den Ablauf dieser Prozesse zu beeinflussen, und es besteht kein Druck auf Angehörige oder Betreuende, weder zeitlich noch psychologisch. Die Trauer der Angehörigen kann daher in Ruhe vor sich gehen wie es der Achtung der Würde des Sterbenden oder Verstorbenen entspricht. (S. 3) |
Die Feststellung des Todes beruht auf der integrativen Interpretation von anamnestischen Informationen, Ergebnissen von Zusatzuntersuchungen und den klinischen Zeichen des Funktionsausfalls des Gehirns. Die Richtlinien definieren klinische Kriterien und technische Zusatzuntersuchungen, mit denen auf lrreversibilität des Funktionsausfalls des Gehirns geschlossen werden kann. Damit wird sichergestellt, dass die zuverlässige Feststellung des Todes sowohl in Regionalspitälern wie auch an grossen Zentren gewährleistet ist. (S. 4) |
Allgemeines
Als das aus medizinischer Sicht beste Kriterium des Todes gilt der vollständige und irreversible Ausfall sämtlicher Funktionen des Gehirns einschliesslich des Hirnstamms, denn damit fällt das Steuerungsorgan des gesamten Organismus endgültig aus. Nachfolgend sterben alle Organe, Gewebe und Zellen unabwendbar ab. Vorübergehendes Versagen lebenswichtiger Funktionen wie Atmung, Herztätigkeit oder Kreislauf kann durch Reanimationstechnik oft kompensiert und überbrückt werden. Es ist hingegen nicht möglich, die Auswirkungen des vollständigen und irreversiblen Funktionsausfalls des Gehirns, einschliesslich des Hirnstamms, durch irgendwelche Massnahmen rückgängig zu machen. Der Tod kann durch folgende Ursachen eintreten: Die Entnahme von Organen ist erst zulässig, wenn durch die nachstehend beschriebenen ärztlichen Untersuchungen der eingetretene Tod eindeutig festgestellt worden ist. Als Todeszeit gilt die Uhrzeit, zu der die Diagnostik des Todes abgeschlossen wurde. Im Totenschein muss diese Zeit eingetragen werden. Ärzte und andere Personen, die dem Transplantationsteam angehören, dürfen weder bei der Feststellung des Todes mitwirken noch ihre den Sterbenden betreuenden Kollegen unter Zeitdruck setzen oder anderweitig beeinflussen. (S. 5) |
Klinische Zeichen
Besteht eine primäre, klar ersichtliche Hirnschädigung, müssen die folgenden sieben klinischen Zeichen zur Feststellung des Funktionsausfalls des Gehirns vorliegen: Zur Feststellung des eingetretenen Todes muss die Irreversibilität des Funktionsausfalls des Gehirns durch den neuerlichen Nachweis der klinischen Zeichen [a)-g)] nach einer Beobachtungszeit (2.2.1.) oder durch technische Zusatzuntersuchungen (2.2.2.) gesichert werden. (S. 6) |
2.2.2. Durch Zusatzuntersuchungen
Die Feststellung des Funktionsausfalls des Gehirns erfolgt klinisch (Ausnahmen vgl. 2.5.). Auf die Irreversibilität des Funktionsausfalls des Gehirns können neben den klinischen Zeichen (siehe 2.2.1.) auch technische Zusatzuntersuchungen schliessen lassen. Letztere erlauben, den Ausfall der Hirnzirkulation festzustellen und bestätigen damit die Irreversibilität des Ausfalls der Hirnfunktion und damit den Tod. Hierzu geeignete Methoden sind die 2.3. Anforderungen an die den Tod diagnostizierenden Ärzte Erfolgt die Todesdiagnostik gemäss 2.2.1., müssen die klinischen Beurteilungen durch zwei verschiedene Ärzte erfolgen. Einer der beiden muss Facharzt für Neurologie oder Neurochirurgie oder bei Kindern Facharzt für Neuropädiatrie sein. (S. 7) |
Erläuterungen zu den Modalitäten der Feststellung des Todes
1. Zum «Hirntod» Das Bewusstsein, die Wahrnehmung seiner selbst und seiner Umgebung, ist ein biologisch bedingtes Phänomen, das in der Grosshirnrinde entsteht. Wird die Funktion beider Grosshirnhemisphären gestört, kommt es zu einer Bewusstseinstrübung. Bei völligem Funktionsausfall der Grosshirnrinde resultiert ein Koma. Ist in dieser Situation der Hirnstamm intakt und funktionieren Atmung und Kreislauf weiterhin, spricht man von einem vegetativen Zustand. Fallen die Hirnstammfunktionen ebenfalls aus, sistiert die Spontanatmung, während der Kreislauf weiterhin erhalten bleiben kann, falls die Sauerstoffversorgung gesichert wird. Diese Situation bezeichnen wir, falls sie als irreversibel einzustufen ist, als «Hirntod» bzw. Tod infolge Hirnschädigung. Um funktionieren zu können, muss die Grosshirnrinde ständig von tieferen Hirnstrukturen stimuliert werden. Dieser biologische «Schrittmacher» liegt im Hirnstamm (Formatio reticularis). Fällt der Schrittmacher aus, bricht die Funktion der Grosshirnrinde ebenfalls zusammen. Der biologische Effekt einer Hirnstammläsion mit Schädigung der Formatio reticularis ist somit gleich wie jener einer beidseitigen Grosshirnrindenläsion. Ist die Himstammläsion irreversibel und vollständig, kann auch das Grosshirn seine Funktion nicht mehr wiedererlangen. Diese Situation ist definiert als «Hirnstammtod». Klinisch kann zwischen diesen zwei Situationen nicht unterschieden werden. Elektroenzephalographische Ableitungen zeigen bei völliger Zerstörung des Hirnstamms – gleich wie bei Hemisphärenläsionen – eine Nulllinie, und Blutflussmessungen einen Kreislaufstillstand supra- und infratentoriell. (S. 13) |
Die Feststellung des Todes beruht im Alltag auf klinischen Untersuchungen, welche erlauben, den Herzstillstand (Pulslosigkeit) und den Atemstillstand (permanente Apnoe) zu diagnostizieren. Sichere Zeichen des eingetretenen Todes, wie Totenstarre und Leichenflecken, treten frühestens nach 20 - 30 Minuten auf und sind erst nach Stunden vollständig ausgeprägt. (S. 13) |
Klinische Zeichen
Der klinischen Untersuchung zur Feststellung der Zeichen des Ausfalls der Funktionen des Hirnstamms kommt bei der Feststellung des Todes zentrale Bedeutung zu. Die Umstände und Modalitäten ihrer Durchführung werden im Folgenden beschrieben. |
Der Apnoetest wird in folgenden Schritten durchgeführt: – Arterielle Blutgasanalyse zur Messung des Ausgangswertes von PaCO2 und pHa; |
Anhang
Anmerkungen
Einzelnachweise
- ↑ SAMW: Feststellung des Todes mit Bezug auf Organtransplantationen. Genf 2005. Nach: https://www.assm.ch/dam/jcr:040ef6c8-70fe-4ca8-bf1e-87870e43f5b5/richtlinien_samw_feststellung_des_todes_organtransplantation_2005.pdf Zugriff am 11.09.2020.