Analgesie

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Analgesie ist in der Medizin das Ausschalten von Schmerzen als Schmerztherapie. Dieses kann entweder durch Verringerung oder Unterbrechung der Erregungsleitung oder durch Gabe von Medikamenten (Analgetika und Sedativa, zusammen in der Analgosedierung) geschehen. Der Begriff wird teilweise synonym zur Anästhesie verwendet. Während bei dieser jedoch sämtliche Empfindungen ausgeschaltet werden, bleibt beispielsweise die Berührungsempfindlichkeit unter Analgesie erhalten. Bei einer Verletzung mit Durchtrennung von sensiblem Nervengewebe ist mit der Analgesie im Regelfall auch eine Anästhesie verbunden. Normalerweise kommt es daher auch bei örtlicher Schmerzausschaltung (lokaler Analgesie) durch den prinzipiellen Wirkmechanismus der eingesetzten Medikamente zur Lokalanästhesie.

Im Gyrus postcentralis findet die bewusste Wahrnehmung z.B. der Schmerzreize mit lokalisatorischer Zuordnung zu einzelnen Körperregionen statt. Zusätzliche Projektionen vom Thalamus in andere Kortexbereiche ermöglichen aber auch außerhalb des Gyrus postcentralis eine Schmerzwahrnehmung, allerdings meist ohne präzise lokalsatorische Zuordnung."[1]

{{Zitat|Der akute Schmerz übt eine wichtige Schutzfunktion aus. Bei kongenitaler Analgesie kommt es bald zu Verstümmelungen und zum frühen Tod. Der chronische Schmerz hat oft seine Schutzfunktion verloren und muss als eigene Krankheitsidentität gesehen werden.[2]


Schmerztherapie

Eine Schmerzausschaltung kann durch pharmakologische, anästhesiologische oder physikalische Verfahren erfolgen. Pharmakologisch werden verschiedene Analgetika, vor allem Nichtsteroidale Antirheumatika – auch als NSAID (englisch non-steroidal anti-inflammatory drugs) bezeichnet – und Analgetika vom Morphintyp (Opioide) eingesetzt. Anästhesieverfahren dienen der Akutschmerztherapie innerhalb eines begrenzten Zeitraums und können sowohl als Allgemein- oder Lokalanästhesie erfolgen. Physikalische sind unter anderem Krankengymnastik Bewegungstherapie und Massage. Auch durch elektrische Stimulation oder Akupunktur lassen sich Schmerzen reduzieren.

Die Psychotherapie kann in einigen Fällen zu einer deutlichen Verringerung der Schmerzen führen. Auch durch Hypnose, Suggestion, autogenes Training kann eine Analgesie herbeigeführt werden (z.B. während einer Zahn-OP oder geburtsbegleitend).

Im Extremfall kann eine neurochirurgische Behandlung die Nerven durchtrennen und so die Schmerzen beenden.

Analgesie mit Krankheitswert

Neben der medizinisch herbeigeführten Analgesie gibt es auch krankhafte Formen der Schmerzunempfindlichkeit. Sie können sowohl durch Verletzungen (Nervenverletzungen, Querschnittlähmung) als auch von einem angeborenen Defekt verursacht werden.

Analgesie durch Schädigung

Eine Schädigung des Tractus spinothalamicus führt zu einer Empfindungslosigkeit für Temperatur (Thermanästesie) und Schmerz (Analgesie) auf der kontralateralen Körperhälfte in allen Hautdermatomen (...), die unterhalb des Rückenmarkssegmentes liegen, in dem die Schädigung aufgetreten ist.[3]
Eine Schädigung des Gyrus postcentralis hat in der kontralateralen Körperhälfte im betroffenen Areal eine starke Einschränkung der Empfindung vom Berührung, Druck, Schmerz (am wenigsten beeinträchtigt), Temperaur, Propriozeption und einen Verlust der diskriminativen, fein lokalsierenden Wahrnehmung zur Folge.[4]

Genetische Analgesie

Es gibt verschiedene Formen genetischer Analgesie:

  • Mutationen am SCN9A-Gen
    Mutationen am SCN9A-Gen, das einen Natriumkanal codiert, können zu angeborener völliger Schmerzunempfindlichkeit mit Krankheitswert führen. Etwa 30 betroffene Personen wurden bisher bekannt. Bei dieser angeborenen Schmerzunempfindlichkeit fügen sich die Betroffenen von Geburt an häufig selbst schwere Schäden zu, da die warnende Wirkung des Schmerzes entfällt.
  • Mutation am SCN11A-Gen
    Eine Mutation am SCN11A-Gen führt zu einer angeborenen völligen Schmerzfreiheit, da diese Mutation zu einer Überfunktion eines Natriumkanals in der Hülle von im Rückenmark und damit an der Schaltstelle für die Weiterleitung von Schmerzsignalen an das Gehirn befindlichen Nervenzellen führt. Entgegen den Erwartungen der Wissenschaftler führt hierbei die Überfunktion des Kanals nicht zu einer erhöhten Schmerzwahrnehmung, sondern zu einer Überlastung der betroffenen Zellen, die sich aus diesem Grunde nicht mehr regenerieren können und folglich in ihrer Funktion gelähmt werden.
  • CIPA-Syndrom
    Beim CIPA-Syndrom (Hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ IV) liegt nicht nur eine Störung der Schmerzwahrnehmung vor, sondern auch der Temperaturwahrnehmung. Auch fehlt die Schweißsekretion Anhidrose. Bisher wurden weltweit weniger als 100 Fälle dokumentiert.

Von etwa 125 Mio. Menschen kommt ein Mensch zur Welt ohne die Fähigkeit, Schmerz wahrzunehmen. Grund ist eine genetische Störung, aufgrund derer schmerzempfindliche Nervenendigungen im Körper fehlen. Einige Betroffene nehmen dennoch Berührung oder Druck wahr, da diese von anderen Nerven registriert werden. Schmerz warnt uns vor Gefahren und bringt uns zu Schutzmaßnahmen. Ohne Schmerzwahrnehmung bleiben Gefahren unerkannt oder unbemerkt. Die Folge sind oft tödliche Verletzungen und früher Tod.[5]

Ein 14-jähriger, pakistanischer Straßenkünstler steckte sich Messer durch die Arme, lief über glühende Kohlen und war deswegen in der Gegend für sein “street theatre” allbekannt: Der Junge litt unter einer extrem seltenen, genetischen Erkrankung, einer Mutation am NaV1.7, welche ihn für jedweden Schmerz absolut immun machte.[6]

Bei der angeborene Schmerzunempfindlichkeit, einer sehr selten auftretenden Anomalie, fehlen Schmerzempfindungen und nozizeptive Schutzreflexe. Diese Menschen ziehen sich von Kindheit an Verbrennungen und Verletzungen zu, die nicht beachtet werden, schlecht heilen und einen frühen Tod zur Folge haben. Ursache kann z. B. ein genetischer Defekt sein, bei dem ein Rezeptor für den Wachstumsfaktor nerve growth factor (NGF) nicht ausgebildet wird. Letzterer wird für das Wachstum von Nozizeptoren benötigt.[7]

Weitere Formen der Analgesie

Stressanalgesie

Schmerzreize führen nicht zwangsweise unmittelbar zur Wahrnehmung des Schmerzes. Filterprozesse im ZNS können diese Wahrnehmung völlig ausblenden. So werden Verletzungen z.B. während eines Verkehrsunfalls, Wettkampfes, im Gefecht oder beim oder beim Geschlechtsverkehr oft nicht bemerkt.[6]

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 7. Auflage. München 2017, 228.
  2. K. Brune: Natkotische Analgetika. In: K. Brune, A. Beyer, M. Schäfer (Hg.): Schmerz. Pathosphsiologie - Phamakologie - Therapie. Berlin 2001, 33.
  3. Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 7. Auflage. München 2017, 96.
  4. Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 7. Auflage. München 2017, 231.
  5. Rita Carter: Das Gehirn. Anatomie, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Bewusstsein, Störungen. München 2010, 107.
  6. a b Maria Lorünser: Physiologie des Schmerzes. Nach: https://docplayer.org/11791393-Physiologie-des-schmerzes-schmerzes.html Zugriff am 10.02.2019.
  7. Hans-Georg Schaible: Nozizeption und Schmerz, Berlin 2011, 300.