Auditive Wahrnehmung: Unterschied zwischen den Versionen
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# Innenohr: Sensorisches System <br> Die Öffnung der Schnecke nimmt die Schallwellen auf und leitet sie an den sich verjüngenden Gang der Schnecke weiter. Im gleichen Maße verdickt sich die Basilarmembran. Diese schwingt in Resonanz bei der je eigenen Frequenz, d.h. außen (= dünne Basilarmembran) bei 20.000 Hz, innen (= dicke Basilarmembran) bei 100 Hz. Dadurch können viele Töne gleichzeitig wahrgenommen werden, was z.B. den Klang der Sprache ausmacht. | # Innenohr: Sensorisches System <br> Die Öffnung der Schnecke nimmt die Schallwellen auf und leitet sie an den sich verjüngenden Gang der Schnecke weiter. Im gleichen Maße verdickt sich die Basilarmembran. Diese schwingt in Resonanz bei der je eigenen Frequenz, d.h. außen (= dünne Basilarmembran) bei 20.000 Hz, innen (= dicke Basilarmembran) bei 100 Hz. Dadurch können viele Töne gleichzeitig wahrgenommen werden, was z.B. den Klang der Sprache ausmacht. | ||
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Martin Trepel zählt in seinem Buch "Neuroanatomie" jedes einzelne Neuron auf, über die die Informationen vom [[Ohr]] zur [[Hörrinde]] gelangen:<ref name="T238f">Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 7. Auflage. München 2017, 238f.</ref> | Martin Trepel zählt in seinem Buch "Neuroanatomie" jedes einzelne Neuron auf, über die die Informationen vom [[Ohr]] zur [[Hörrinde]] gelangen:<ref name="T238f">Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 7. Auflage. München 2017, 238f.</ref> | ||
* 1. Neuron <br> Das 1. Neuron, dessen [https://de.wikipedia.org/wiki/Perikaryon Perikaryen] im [https://de.wikipedia.org/wiki/Nervus_vestibulocochlearis#Nervus_cochlearis Ganglion spirale] liegen, leitet die Signale den Ncll. cochleares in der [https://de.wikipedia.org/wiki/Medulla_oblongata Medulla oblongata] zu. Dabei existiert eine tonotopische Gliederung (Gliederung nach Tonhöhe). | * 1. Neuron <br> Das 1. Neuron, dessen [https://de.wikipedia.org/wiki/Perikaryon Perikaryen] im [https://de.wikipedia.org/wiki/Nervus_vestibulocochlearis#Nervus_cochlearis Ganglion spirale] liegen, leitet die Signale den Ncll. cochleares in der [https://de.wikipedia.org/wiki/Medulla_oblongata Medulla oblongata] zu. Dabei existiert eine tonotopische Gliederung (Gliederung nach Tonhöhe). |
Version vom 4. November 2018, 09:07 Uhr
Allgemeines
Als auditive Wahrnehmung (aurale, akustische) bezeichnet man die Sinneswahrnehmung von Schall durch Lebewesen. Zur Wahrnehmung des Schalls dienen Sinnesorgane, die durch Schwingungen aus der Umgebung des Lebewesens stimuliert werden. Die Schwingungen können über das Umgebungsmedium (Luft, Wasser) oder über den Untergrund (Vibrationen) übertragen werden. Der Hörsinn ist nicht immer an Ohren gebunden, insbesondere Vibrationen können auch durch Sinnesorgane an entsprechenden Körperteilen wahrgenommen bzw. empfunden werden.
Auditive Wahrnehmung beschreibt den Vorgang des Hörens und in welcher Form Schall von Lebewesen wahrgenommen wird, also z.B. die Hörereignisse, die bei bestimmten Schallereignissen entstehen.
Die beiden Hörbahnen leiten die Informationen des Corti-Organs der Ohren zunächst an die beiden Schneckenkerne im Hirnstamm. Dort werden die Signale nach Lautstärke, Frequenz und Richtung, aus der der Ton kommt, sortiert. Anschließend kreuzen sich die Hörbahnen - ähnlich wie bei den Sehnerven - und kommen zu den "Oliven". Dort treffen die Informationen erstmals aufeinander und werden ausgewertet. Aus der Zeitdifferenz der Information der beiden Ohren, kann die Richtung bestimmt werden, aus welcher der Ton kommt. Die "Oliven" leiten die Informationen an das Mittelhirn weiter, über den Thalamus schließlich zum auditiven Cortex der Großhirnrinde. Die Aufbereitung der Hörinformationen im Gehirn ist so breit gestreut, dass Verletzungen des Gehirns selten zum totalen Hörverlust führen.[1]
Signale aus dem Ohr gelangen über den Thalamus in den primären autitiven Cortex. Dieser liegt in der Furche zwischen Schläfen- und Scheitellappen. Direkt daneben befindet sich das Wernicke-Areal, in dem eintreffende Laute zu Wörtern umgewandelt werden.[2]
Über das auditive System nimmt der Mensch seine Umwelt wahr: Die Ohrmuschel nimmt die Schallwellen auf und leitet sie über Gehörgang, Trommelfell, Gehörknöchelchen an die Hörschnecke weiter. Dort werden die Schallwellen umgewandelt und über den Hörnerv zum Hörzentrum in der Großhirnrinde weitergeleitet. Dort werden die akustischen Signale verarbeitet und dem Bewusstsein zugeführt.
Hörereignisse nimmt der Mensch als Tonheit, Klangfarbe, Durchsichtigkeit, Raumeindruck und Lautheit wahr.
Wir sind in der Lage, Töne von 20 Hz bis 20 kHz wahrzunehmen. Die höchste Wahrnehmungsempfindlichkeit liegt bei etwa 4 kHz. Töne sind physikalisch nur schnelle Luftdruckschwankungen. Im Gegensatz zum Sehen kann unser Gehör bis zu 20 Signale pro Sekunde als einzelne Ereignisse wahrnehmen.
Die primäre auditorische Rinde entspricht den Heschl-Querwindungen des Gyrus temporalis superior. Ihre Impulse erhält sie vom Corpus geniculatum mediale.[3]
Das autitorische System besteht aus drei Teilsystemen:[4]
- Äußeres Ohr: Schallaufnahme
Über den 2,5 bis 4 cm langen Gehörgang gelangen die Schallwellen zum 0,1 mm dünnen Trommelfell. Dieses bildet die Grenze zum Mittelohr. - Mittelohr: Schallübertragung
Die Paukenhöhle des Mittelohrs ist 3 bis 6 mm breit. Darin befinden sich die Gehörknöchelchen. Sie geben die Schwingungen vom Trommelfell an das Innenohr weiter. - Innenohr: Sensorisches System
Die Öffnung der Schnecke nimmt die Schallwellen auf und leitet sie an den sich verjüngenden Gang der Schnecke weiter. Im gleichen Maße verdickt sich die Basilarmembran. Diese schwingt in Resonanz bei der je eigenen Frequenz, d.h. außen (= dünne Basilarmembran) bei 20.000 Hz, innen (= dicke Basilarmembran) bei 100 Hz. Dadurch können viele Töne gleichzeitig wahrgenommen werden, was z.B. den Klang der Sprache ausmacht.
Wahrnehmungskette der Auditiven Wahrnehmung
Martin Trepel zählt in seinem Buch "Neuroanatomie" jedes einzelne Neuron auf, über die die Informationen vom Ohr zur Hörrinde gelangen:[5]
- 1. Neuron
Das 1. Neuron, dessen Perikaryen im Ganglion spirale liegen, leitet die Signale den Ncll. cochleares in der Medulla oblongata zu. Dabei existiert eine tonotopische Gliederung (Gliederung nach Tonhöhe). - 2. Neuron
Das 2. Neuron führt zum geringeren Teil nach oben und zum größeren Teil zur Gegenseite. Die nachfolgende Kreuzung ist wichtig für das Richtungshören. (Die Hörnerven kreuzen sich öfters) - 3. Neuron
Aus der Kreuzung führt das 3. Neuron in die Hörrinde.
Die Hörrinde wird in eine primäre und eine Sekundäre Hörrinde unterschieden:[6]
- Primäre Hörrinde
Die primäre Hörrinde ist in der Area 41 nach Brodmann. Dort werden die elektrischen Signale als Töne bewusst wahrgenommen.[Anm. 1] - Sekundäre Hörrinde
Die sekundäre Hörrinde nimmt die Areae 42 und 22 nach Brodmann ein. Dort erfahren die elektrischen Impulse der primären Hörrinde "eine interpretative Verarbeitung. Die Laute werden als Wörter, Melodien, Geräusche etc. erkannt."
Dabei nehmen die sekundären Hörrinden beider Hemisphären einen unterschiedlichen Stellenwert ein:- Dominante Hemisphäre
In der dominanten Hemisphäre werden die Informationen mehr rational integriert einschließlich des Verständnisses der Sprache. Daher wird sie auch "sensorisches Sprachzentrum" genannt. - Nicht-dominante Hemisphäre
In der nicht-dominanten Hemisphäre erfolgt eher die gefühlsmäßige Verarbeitung, wie das Erkennen und das Verständnis von Musik.
"Definitionsgemäß ist diejenige Hemisphäre dominant, in der motorisch und sensorisch die Sprache verarbeitet wird (bei Rechtshändern die linke, bei Linkshändern die rechte oder die linke)."[7]
Die sekundäre Hörrinde ist auch mit dem Gyrus angularis verbunden, der eine zentrale Rolle bei der Verknüpfung von Gesehenem und der Sprache hat. Dies spielt z.B. beim Schreiben oder Lesen eine wichtige Rolle. Der Gyrus angularis erhält die meisten Signale aus der sekundären Sehrinde. "Diese Information der als Schrift erkannten Impulse aus der Sehrinde wird dann vom Gyrus angularis an das Wernicke-Sprachzentrum weitergesandt und dort mit dem Sprachverständnis verknüpft. Auch bei anderen Funktionen, z.B. beim Benennen von gesehenen Gegenständen, gilt dieses Prinzip."[7]
- Dominante Hemisphäre
Das Wernicke-Zentrum ist eine zentrale Stelle unserer schriftlichen und mündlichen Kommunikation. Auch "der größte Teil unseres Denkens ist an die Sprache als 'Instrument' und somit an das Wernicke-Zentrum gebunden. Eine vollständige Zerstörung des Wernicke-Zentrums hat deshalb ... meist auch tiefgreifende Persönlichkeitsbeeingträchtigungen zur Folge."[8]
Sonstiges
Besonderheiten
Untersuchungen mit dem fMRT an menschlichen Gehirnen zeigen, dass sensorische Neuronen, die bei Hörenden durch Sprache aktiviert werden, bei Tauben der Verarbeitung von Zeichensprachee dienen.[9]
Synästhesie: Einige Menschen hören nicht nur Geräusche, sie "sehen" sie auch, oder sie "schmecken" Bilder. Diese sogenannte Synästhesie tritt auf, wenn sich die neuronale Bahn eines Sinnesorgan teilt und Informationen über eine Art von Reiz auch an Hirnregionen sendet, die sonst andere Reize verarbeiten. Bildern von fMRT zeigen, dass auf einen Reiz bei Synästhetikern mehr Gehirnareale tätig sind als bei normalen Menschen. Vermutlich erleben sie den Alltag reicher an Sinneseindrücken.[9]
Evolution des Hörens
Im Verlauf der Evolution kam das Gehör erst hinzu, als die frühen Lebewesen begannen, das Land zu erobern. Schall konnten die ersten Landbewohner nur durch Vibrationen im Wasser oder am Boden wahrnehmen. Die ersten Fische hatten dafür an den Seiten eine Reihe von Haarzellen, die Wasserbewegungen wahrnahmen. Aus diesem so genannten Seitenlinienorgan entwickelte sich bei den Wirbeltieren das Innenohr mit der Hörschnecke und dem Gleichgewichtsorgan. Parallel dazu dürfte die Zunahme des Gehirnvolumes verlaufen sein, denn es mussten alle diese Informationen der Sinne verarbeitet werden.[10]
Anhang
Anmerkungen
- ↑ Martin Trepel schreibt hierzu: "Bei (experimenteller) Reizung der primären Hörrinde werden dementsprechend immer nur einzelne Laute der Lautmuster unterschiedlicher Frequenz, niemals aber Wörter oder Melodien wahrgenommen. Die sinnvolle Verknüpfung dieser Laute zu Wörtern oder schließlich Sätzen und dergleichen erfolgt erst in der sekundären Hörrinde".
Einzelnachweise
- ↑ Christiane Stenger: Wer lernen will, muss fühlen. Wie unsere Sinne dem Gedächtnis helfen. Reinbeck 2016, 146f.
- ↑ Rita Carter: Das Gehirn. Anatomie, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Bewusstsein, Störungen. München 2010, 30.
- ↑ Mathias Bähr, Michael Frotscher: Neurologisch-topische Diagnostik. Anatomie - Funktion - Klinik. 10. Aufl. Stuttgart 2014, 416.
- ↑ Hermann Bünte, Klaus Bünte: Das Spektrum der Medizin. Illustriertes Handbuch von den Grundlagen bis zur Klinik. Stuttgart 2004, 1506-1509.
- ↑ Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 7. Auflage. München 2017, 238f.
- ↑ Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 7. Auflage. München 2017, 239f.
- ↑ a b Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 7. Auflage. München 2017, 240.
- ↑ Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 7. Auflage. München 2017, 241.
- ↑ a b Rita Carter: Das Gehirn. Anatomie, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Bewusstsein, Störungen. München 2010, 76.
- ↑ https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/hoeren/hoeren-2013-mehr-als-nur-schall-und-schwingung-2216 Zugriff am 5.8.2016.