Roland Kiefer
Roland Kiefer ist Dipl.Theologe und war 2013 Oberstudienrat in Baden-Württemberg.[1]
Schriften
Theologische Kritik der Organspende von 'Hirntoten'
Am 05.05.2013 veröffentlichte Roland Kiefer den Artikel "Theologische Kritik der Organspende von 'Hirntoten'".[2] Darin heißt es:
Wir Menschen bevorzugen einfache Wahrheiten, wir wünschen uns Eindeutigkeit, doch unser Thema weist eine grundsätzliche Ambivalenz auf: sie stellt uns vor ein echtes Dilemma, dem Pro steht ein m. E. nach mindestens gleichwertiges Contra gegenüber. Dieses Dilemma ist aus christlicher Sicht nicht auflösbar. |
Siehe: Todesverständnis und Nächstenliebe
Hirntote Menschen sind nicht tot. Sie werden durch eine geschickte Sprachregelung für tot erklärt, um an ihre lebenden Organe zu gelangen. Sie sind Sterbende, die durch die Organentnahme zu Tode kommen. |
Es muss diese lebensverlängernden Maßnahmen geben, um an lebendfrische Organe zu gelangen. |
So gesehen kann der Akt der Entnahme von Organen, der unter schlagendem Herzen geschieht moraltheologisch eindeutig als Tötungsakt verurteilt werden, auch dann wenn er der Rettung anderer gilt. |
Siehe: Todesverständnis
Dieser erste Punkt setzt an bei der seit ihrer Einführung 1968 umstrittenen Hirntod-Definition. Sie ist heute bereits wissenschaftlich bzw. medizinisch hoch umstritten. |
Andere, wie auch der Stuttgarter Kardiologe Paolo Bavastro, sprechen sogar von einer arglistigen Täuschung. |
Es sind einzelne Stimmen gegen gemeinsame Erklärungen.
Auch in diesbezüglichen Diskussionen im Vatikan ist der Hirntod nicht mehr die einstmals als gesichert angenommene Erkenntnis. Benedikt XVI. erklärte in diesem Zusammenhang, eine Organentnahme sei nur 'ex cadavere' erlaubt, was wohl eindeutig nicht den so genannten Hirntod, sondern den umfassenden biologischen Tod des Menschen impliziert. |
Siehe: Päpstliche Akademie der Wissenschaften
Das Ziel dieser Deutung liegt in der juristisch legitimierten Beschaffung lebensfrischer Organe aus noch lebenden Menschen, deren Sterbeprozess durch eine schwere, aller Voraussicht nach zum Tode führende Schädigung des Gehirns begonnen hat, aber durch intensivmedizinische Maßnahmen aufrechterhalten werden kann. |
Alle, an denen bisher - d.h. seit über 60 Jahren - korrekt die HTD durchgeführt wurde, blieben bis zu ihrem irreversiblen Herzstillstand, meist binnen Stunden und Tagen, in dem Zustand Hirntod. Siehe: Alan Shewmon
Die Sichtweise, die den Tod des Menschen nicht mit einem vermeintlichen Tod seines Gehirns identifizieren kann, entspricht m.E. nach eindeutig der biblisch – christlichen Auffassung vom Menschen als unteilbare Leib-Seele-Einheit. |
Das bilische Verständnis ist nach Gen. 2 mit dem Atem verknüpft. Bei Hirntoten ist die Eigenatmung erloschen.
Die angeblich toten Spender mit dem schlagenden Herzen und der atmenden Lunge müssen fixiert werden, dass sie sich nicht aufrichten oder gar um sich schlagen. Ihr Blutdruck steigt nach der Öffnung des Leibes signifikant an. |
Die Lunge wird beatmet. Siehe: Spinale Reflexe
In der Schweiz ist diese Vollnarkose für die angeblichen Leichen sogar zwingend vorgeschrieben. |
In der Schweiz wird die Narkose empfohlen, und zwar ausdrücklich zur Unterdrückung der spinalen Reflexe. Siehe: Schmerz#Schweiz
Die Angehörigen von Organspendern oder hierfür freigegebenen Menschen können durch die erlebten Umstände und Vorgänge vor, während und nach der Organentnahme schwer belastet oder sogar traumatisiert werden. |
Diese Belastungen sind um so schwerwiegender, je falscher sie informiert wurden.
Über 80 % der Organspender haben nicht in die Organentnahme eingewilligt, sondern wurden von den Angehörigen dafür freigegeben. |
Der Artikel war vom Mai 2013. Daher hier die Zahlen der DSO von 2011 und 2012: Schriftliche Zustimmung = 8,9% / 10,3%; mündliche Zustimmung = 25,8% / 23,3%; vermutete Zustimmung = 47,7% / 50,6%; Entscheidung der Hinterbliebenen = 17,7% / 27,6%; schriftlicher Widerspruch = 1,1% / 1,8%; mündlicher Widerspruch = 31,2% / 31,1%; vermuteter Widerspruch = 27,1% / 27,6%; Entscheidung der Hinterbliebenen = 40,6% / 39,4%. - Im Umkehrschluss lässt sich auch sagen: Nur knapp 2% haben selbst schriftlich der Organentnahme widersprochen.
Die Angehörigen befinden sich i. d. Regel in einem emotionalen Ausnahmezustand, da ihr Familienmitglied meist durch einen Unfall zu Schaden kam. |
Die zum Hirntod führenden Ursachen sind nach den Jahresberichten der DSO aus den Jahren 2006 bis 2018: über 50% eine massive Hirnblutung und je zwischen 10 und 20% (mitunter stark schwankend) der Unfall, Herzstillstand und Hirninfarkt.
Sie werden in dieser Situation daraufhin angesprochen, ob der Sterbende – oder bereits als hirntot Eingestufte – mutmaßlich zur Organspende bereit gewesen wäre – meist unter Hinweis darauf, dass so im Tod die Lebensrettung anderer möglich sei. |
Daher soll in jeder Familie offen über Hirntod und Organspende gesprochen werden und jeder für sich eine Entscheidung fällen, die er den anderen mitteilt.
Dass das Hirntod-Kriterium strittig ist wird in diesem 'Werbegespräch' natürlich in aller Regel nicht erwähnt, ebenso wenig die nur schwer annehmbaren Umstände der Organentnahme, die vorhin dargestellt wurden. |
Siehe: Todesverständnis und Diffamierung ("Werbegespräch")
Man hatte sich von einem atmenden, scheinbar schlafenden Angehörigen verabschiedet bzw. gerade nicht verabschieden können, denn er konnte nicht im Sterben begleitet und dann als Toter wahrgenommen werden. |
Daher ist es so wichtig, den Hinterbliebenen den pathophysiologischen Zustand Hirntod und seine antropologische Tragweite so gut als möglich zu vermitteln, z.B. durch ein Ausschalten der künstlichen Beatmung für wenige Minuten.
{{Zitat2|Nach einer umfassenden Organ- und Gewebeentnahme ist der Leib des Angehörigen u. U. schwer entstellt, auch sein Gesichtsausdruck kann auf ein schweres Sterben hindeuten.]] Das ist Interpretation. Siehe: Schmerz und Trigeminus
Patienten auf der Warteliste müssen mit schweren emotionalen Komplikationen rechnen.
Besonders belastend für Patienten, die auf eine Organtransplantation warten, ist zunächst die persönliche Situation zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Man befindet sich ja in der Situation einer Wette auf Leben und Tod. Diese existentielle Anspannung schlägt dann nicht nur auf das eigene Lebensgefühl, sondern auf die mitmenschlichen Beziehungen voll durch und kann zur extremen familiären Belastung werden. Hinzu kommt eine zweite, oft nicht minder belastende Emotion. Man muss auf den rechtzeitigen Tod eines Organspenders und auf den rechtzeitigen Tod von Mitbewerbern auf der Warteliste hoffen. Damit einher gehen insbesondere bei religiösen Menschen Schuldgefühle, insbesondere dann, wenn man um die prekären Umstände der Organentnahme weiß. Psychotherapeutische Maßnahmen werden dann u. U. notwendig. |
Falls man die Wette verliert, hat man besonders nach religiöser Überzeugung eine wesentliche Chance vertan: das Leben in der letzten Phase abzurunden. Das könnte so aussehen: Mit sich und seinem Sterbenmüssen ins Reine kommen, sich gut und möglichst versöhnt von den Angehörigen und Freunden verabschieden, sich im Glauben auf das im eigenen Tod Kommende vorbereiten – das sind die spirituellen Aufgaben am Lebensende, die man auf der Warteliste wohl kaum angehen kann. |
Ähnliches erleben auch Menschen und ihre Familien, die auf ein Pflegeplatz in einem Pflegeheim oder nur um einen Platz für die Kurzzeitpflege warten. Deswegen schaffen wir aber die Pflegeheime nicht ab.
Fazit: die moderne Medizin hat uns nach 150 Jahren großartiger Heilerfolge einen extremen Ausläufer beschert: die Transplantationsmedizin. Unsere Gesellschaft mag sie feiern als Speerspitze im Kampf gegen den Tod – aus religiöser Sicht ist sie meiner persönlichen Ansicht nach eine Verzweiflungstat, die theologisch nicht ausreichend gerechtfertigt werden kann. |
Theologen und Biblizisten hat bis in die 1950-er Jahre hinein auf den Verweis auf Gen 3 den Einsatz von Schmerzmitteln bei der Geburt verboten. Hier wird ähnlich versucht zu argumentieren.
Die exklusive Lebensrettung Einzelner ist belastet durch sehr problematische Begleitumstände auf Seiten aller Betroffenen: vom Spender über seine Angehörigen bis hin zum Organempfänger. |
Zufriedenheit der Transplantierten | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Frage: Wie sehen Sie heute Ihre TX an?[3] A = stimmt / B = stimmt eher / C = eher falsch / D = falsch (n = 203) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Im Winterhalbjahr 2014/2015 wurde von Klaus Schäfer unter Transplantierten eine Online-Umfrage durchgeführt. Dachverbände der Transplantierten gaben den Link zum Online-Fragebogen an ihre Mitglieder weiter. Insgesamt nahmen 203 Transplantierte an dieser Umfrage teil. Hiervon hatten 28,6% ein Herz transplantiert, 24,1% eine Niere, 21,7% eine Lunge und 17,2% eine Leber.
Zu ihrer Zufriedenheit über die durchgeführte TX antworteten die 203 Transplantierten:
Für 89,7% der Transplantierten war die TX ein wahres Geschenk, die bei 82,8% der Transplantierten die Lebensqualität verbesserte und bei 77,8% der Transplantierten das Leben eindeutig positiv beeinflusst hat.
72,9% der Transplantierten hat die TX vor dem drohenden Tode bewahrt. 70,0% der Transplantierten würde die TX jederzeit wiederholen.
Der Aussage von Werner Hanne, dass TX eine Zumutung sei, von der abzuraten sei, stimmten 3,9% zu und lehnten 78,8% ab.
Es gibt bei der TX auch "Verlierer", d.h. ihnen geht es nach der TX schlechter als vor der TX. Dies soll nicht verschwiegen werden. Ihr Anteil ist jedoch kleiner 5%.
Über 70% - politisch ist das mehr als eine 2/3-Mehrheit; damit bekommt man sogar eine Grundgesetzänderung durch - der Transplantierten bewerten ihre TX positiv, weniger als 5% negativ.
TX ist damit eindeutig ein medizinischer Erfolg. |
Damit sind die Mitleidsbekundungen einiger Kritiker reine Fehlinformationen oder gar geheuchelte Krokodilstränen.
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Anhang
Anmerkungen
Einzelnachweise
- ↑ https://www.iposs.de/1652/theologische-kritik-der-organspende-von-hirntoten Zugriff am 23.12.2019.
- ↑ Roland Kiefer: Theologische Kritik der Organspende von 'Hirntoten'. (05.05.2013). Nach: https://www.iposs.de/1652/theologische-kritik-der-organspende-von-hirntoten Zugriff am 23.12.2019.
- ↑ Klaus Schäfer: Leben - dank dem Spender. Ergebnisse aus Umfragen unter 203 Transplantierten. Karlsruhe 2013.