Schweigen = Zustimmung
Aktuelle Situation
Nach der Feststellung des Hirntodes lag im Jahr 2010 bei rund 10% der Hirntoten eine schriftliche Willenserklärung vor (7,3% Ja, 1,7% Nein), im Jahr 2020 waren es rund 20% schriftliche Willenserklärungen. Damit waren 90% bzw. 80% Willenserklärungen ungesichert.
In den letzten 10 Jahren haben bei einem "Nein" zur Organspende zwischen 30 und 40% die Hinterbliebenen der Organentnahme widersprochen. Dabei sprechen sich doch rund 85% der Bürger für die Organspende aus.
Es muss schmerzlich festgestellt werden, dass 80% der Bürger selbst nach 10 Jahren Entscheidungsregelung mit massiven Aufklärungsmaßnahmen nicht bereit, eine Entscheidung zu treffen und diese schriftlich festzuhalten.[Anm. 1]
Die 2020 beschlossene Erklärungsregelung wurde bis 2023 nicht umgesetzt. Sie sieht vor, dass die Bürger bei der Beantragung des Personalausweises um ihre Entscheidung zur Organspende gefragt werden. Damit hätten wir 2 Jahre nach der Umsetzung max. 20% der Bürger befragt, nach 5 Jahren wären es max. 50%, nach 10 Jahren wären es max. 100%. Da die Erklärungsregelung auch die Möglichkeit offenlässt, sich nicht zu entscheiden, wird der Wert niederer liegen.
Mit der Einführung der WSR - diese wird einige Monate nach deren Beschluss erfolgen - hätten wir 100% Willenserklärung. Wer kein Organspender sein will, widerspricht.
Beispiele von medizinischen Zustimmungen
In der Diskussion um die Einführung der Widerspruchsregelung wird behauptet, dass es gegen das Recht und/oder die Moral verstoße, dass Schweigen einer Zustimmung entspricht.
Die gelebte Praxis der Medizin kennt zumindest drei Beispiele, bei denen weder mit dem Patienten noch mit seinen Angehörigen ein Aufklärungsgespräch geführt wird noch ein Behandlungsvertrag geschlossen wird, und dennoch Ärzte tätig werden:
- schwere Unfälle
Wenn nach einem schweren Unfall der Verunglückte nicht ansprechbar ist, wird umgehend Erste Hilfe geleistet. - Atem- und Herzstillstand
Wird jemand ohne Atmung und ohne schlagendem Herzen aufgefunden und es sind noch keine sichere Todeszeichen erkennbar, wird umgehend Erste Hilfe geleistet. - misslungener Suizidversuch
Begeht jemand einen Suizidversuch, äußert er durch seine Tat, dass seine Todessehnsucht größer ist als sein Lebenswille. Wird der Suizidale in einem Zustand aufgefunden, in dem noch die Rettung seines Lebens möglich ist, werden entsprechende Rettungsmaßnahmen unternommen.
In allen diesen Beispielen handeln die Ärzte nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, beim Suizidversuch sogar eindeutig gegen den (augenblicklichen) Willen des Patienten.
Beispiele von juristischen Zustimmungen
Das Recht kennt dazu die Geschäftsführung ohne Auftrag (Negotiorum gestio). Es ist juristisch in den §§ 677–687 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt.
Auch sonst regelt der Staat, was der einzelne Bürger nicht regelt:
- Wer kein Testament verfasst, der stimmt im Grunde der gesetzlichen Erbfolge zu.
- Eine Mitteilung des Amtsgerichts über eine Erbschaft an den/die Erben gilt als angenommen, wenn nicht innerhalb von 6 Wochen widersprochen wird.
- Wer keine Patientenverfügung verfasst hat, stimmt zu, dass im Bedarfsfall ein Amtsrichter einen Bevollmächtigten einsetzt.[Anm. 2]
- Wenn Eltern für Ihren vorübergehenden (z.B. komatös auf der Intensivstation) oder dauerhaften (z.B. Tod) Ausfall für ihre Kinder rechtlich nicht vorgesorgt haben, stimmen sie zu, dass sich dann das Jugendamt um ihre unmündigen Kinder kümmert.[Anm. 3]
Daneben gibt es noch Beispiele der Geschäftsführung ohne Auftrag, u.a. diese:
- Wenn jemand einen Suizidversuch unternommen hat, versuchen die Ärzte zunächst sein Leben zu retten und seine Gesundheit wieder herzustellen. Dieses Handeln die Ärzte wird juristisch als Geschäftsführung ohne Auftrag verstanden.
- Wenn ein Betreiber einer Internetseite in Deutschland kein "Impressum" und damit keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme anbietet, kann von Juristen mit einem zahlungspflichtigen Hinweis darauf hingewiesen werden. Auch dies läuft juristisch unter der Bezeichnung Geschäftsführung ohne Auftrag.
Die Kritiker, die das bestreiten, führen dann immer § 416 Absatz 1 BGB – Umschreibung beim Grunderwerb – oder § 362 HGB, wo geregelt ist, dass Verträge auch durch Schweigen zustande kommen, oder das Testament an.
Daher widersprechen diese Worte als Argument gegen die WSR dem deutschen Rechtssystem in diesen Punkten.
Fazit
Bei allen diesen Punkten muss man sagen: "Nichts sagen ist Zustimmung" bzw. "Schweigen ist Zustimmung". |
Der Hirntod kündigt sich nicht an. Er trifft Alte, Junge und auch Kinder. Dann gibt es kein "Ich kann/will mich nicht entscheiden". Dann gibt es nur noch ein "Ja" oder "Nein". |
Wer sich (jetzt noch) nicht entscheiden kann oder nicht entscheiden will, kann der Organentnahme widersprechen, denn im Falle seines Hirntodes hat er der Organentnahme nicht zugestimmt. Wenn er seine Meinung ändert, kann er seinen Widerspruch zurück nehmen. Es liegt damit eine klare, von ihm getroffene Entscheidung vor. |
Siehe auch: Entscheidungsunfähig
Anhang
Anmerkungen
- ↑ In den Umfragen werden 30 bis 40% schriftliche Entscheidungen angegeben. Dieser Anteil widerspricht den Zahlen der DSO nach der Feststellung des Hirntodes. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass einige Befragte unwahre Antworten gegeben haben.
- ↑ Der Patient wird u.U. gegen seinen eigenen Willen weiterbehandelt und liegt dann Monate oder gar Jahre ohne Bewusstsein in einem Pflegeheim.
- ↑ Die meisten Eltern würden ihr Leben für das Leben ihres Kindes geben, würden für ihre Kinder sterben - wenn es ginge. Die wenigsten Eltern haben für den Fall, dass sie vorübergehend (z.B. Koma) oder dauerhaft (z.B. eigenen Tod) ihre elterlichen Pflichten nicht erfüllen können, eine Vorsorgevollmacht für ihre minderjährigen Kinder erstellt. Damit haben über 90% der Eltern indirekt zugestimmt, dass das Jugendamt (der Staat) für die minderjährigen Kinder sorgt. Dagegen gibt es keinen Aufschrei.