Fehlende Entscheidung

Aus Organspende-Wiki
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Todesfeststellung, eine Aufgabe der Ärzte

Nach dem Bestattungsgesetz[Anm. 1] hat der Arzt die Pflicht, den Tod des Verstorbenen festzustellen.[Anm. 2]

Wenn die Ärzte einen begründeten Verdacht haben, dass der Patient hirntot ist, beginnen die meisten damit, die Angehörige auf die zu erwartende Feststellung des Hirntods vorzubereiten. Damit steht unweigerlich die Frage um Organspende im Raum. Spätestens mit der Feststellung des Hirntods haben die Ärzte nach § 4 Abs. 1 TPG die Pflicht, nach einer möglichen Organentnahme zu fragen. Hierbei haben sie nach § 4 Abs. 1 TPG bis zu 4 Fragen zu stellen:

  1. Liegt eine schriftliche Willenserklärung des Hirntoten vor, ist danach zu verfahren.
  2. Liegt diese nicht vor, werden die Hinterbliebenen gefragt, ob ihnen eine mündliche Willenserklärung des Hirntoten bekannt ist, nach der verfahren werden kann.
  3. Liegt diese nicht vor, werden die Hinterbliebenen gefragt, was sie meinen, was der Wille des Hirntoten sein dürfte, nach der verfahren werden könnte.
  4. Haben die Hinterbliebenen auch keine Ahnung, was der Wille des Hirntoten sein könnte, entscheiden die Hinterbliebenen.

Es wird somit immer versucht, nach dem schriftlichen, mündlichen oder mutmaßlichen Willen des Hirntoten zu verfahren. Die Hinterbliebenen haben erst dann ein Entscheidungsrecht, wenn der primäre Weg nicht gangbar ist. Dies spiegelt sich in den Jahresberichten der DSO wider.

Damit die Angehörigen, die meist noch Hoffnung für den Patienten haben, nicht unvorbereitet plötzlich mit dem Ergebnis des festgestellten Hirntods konfrontiert werden, ist es sinnvoll, dass die Ärzte bereits im Vorfeld der HTD mit den Angehörigen offen darüber sprechen.
Es macht auch deshalb Sinn, weil man bei einem bekannten "Nein" zur Organspende die Arbeit der HTD nicht gemacht werden muss, sondern gleich die Therapie beendet werden kann.[1]

DSO-Jahresbericht 2022 DSO-Jahresbericht 2023
DSO 22a.jpg DSO 23a.jpg
1.166 Zustimmungen - 1.195 Ablehnungen 1.306 Zustimmungen - 1.215 Ablehnungen

So ergeben sich seit 2022 diese Zahlen aus den Jahresberichten der DSO: Von allen grundsätzlich in Frage kommenden Organspender - auch denen, an denen der Hirntod noch nicht festgestellt wurde, aber dieser zu erwarten war bzw. dieser vermutet wurde<ref>"In den Jahresberichten bis 2021 wurden an dieser Stelle die Fälle der qualifizierten Spender (IHA war bereits festgestellt) abgebildet. Die in abb 23 dargestellten Entscheidungen zur Organspende zeigen alle an die DSO als potenziellen Spender gemeldeten Fälle. Dies betrifft auch diejenigen Fälle ohne Feststellung des IHA.", so auf Seite 56 des DSO-Jahresberichts 2022.<ref> - wurde bei rund der Hälfte die Organentnahme abgelehnt.

Dies hat wesentlich mit 2 Dingen zu tun:

  1. Niedriger Anteil der Willensbekundung
    Bei den Zustimmungen lagen nur rund 20% schriftliche Zustimmungen vor, bei den Ablehnungen nur ca. 7%.
    In wie weit der mündliche Wille tatsächlich so geäußert wurde, lässt sich nicht überprüfen. Als gesichert dürfen hingegen die Zahlen zum vermuteten Willen und der Entscheidung der Angehörigen angesehen werden.
    Fazit: In der Mehrzahl der Fälle wissen die Angehörigen nichts über den Willen des Hirntoten zur Frage der Organspende. Wie aus den Gesprächen ergeben, neigen viele Angehörige zu einem "Nein", um keine falsche Entscheidung zu treffen. Dabei kann jedoch gerade dieses "Nein" die falsche Entscheidung sein.
  2. Art der Fragestellung
    Die Ärzte müssen bis zu 4 Fragen mit der Zielsetzung "Zustimmung" fragen. Dabei ist die Frage nach einen schriftlichen Willenserklärung eine emotionslose Sachfrage. Die Frage nach einer mündlichen Willenserklärung erfordert Erinnerung, die nicht immer einstimmig ausfallen muss. Nur wenn alle Familienmitglieder von einer Zustimmung zur Organentnahme wissen, erfolgt diese. Die Frage nach dem vermuteten Wille wird für die Angehörigen schon deutlich belastender. Die Entscheidung kann mit noch weniger Übereinstimmung ausfallen. Wenn schließlich mit der 4. Frage die Hinterbliebenen zu entscheiden haben, kann es ein echter Konfliktfall in der Familie werden. Siehe: Der Ausweis
    Mit zu bedenken ist hierbei: Diese Fragen müssen gestellt werden, wobei in den meisten Fällen der Patient bzw. der Hirntote noch vor wenigen Tagen ganz normal am Leben teil nahm und wo die Angehörigen noch bis vor Stunden Hoffnung auf Genesung hatten, nun aber alles in Trauer umgekippt ist.

Bei eingeführter WSR müssten die Ärzte nur 2 Fragen stellen:

  1. "Ist ihnen ein schriftlicher Widerspruch bekannt?"
  2. "Ist ihnen ein mündlicher Widerspruch bekannt?"

Die belastenden Fragen 3 und 4 würden mit der WSR entfallen.

Dadurch würde es mehr Zustimmungen zur Organspende geben, weil man einfach nur nach dem Widerspruch fragen muss.


Anhang

Anmerkungen

  1. Alle 16 Bundesländer haben ein Bestattungsgesetz. In diesem steht bei allen Bundesländern, dass der Arzt zur Feststellung des Todes verpflichtet ist. Dies gilt auch für die Feststellung des Hirntodes, wenn nicht zuvor die intensivmedizinische Therapie aktiv beendet wird.
  2. In der 2. Hälfte des 19. Jh. haben die Ärzte um das exklusive Recht gekämpft, dass nur sie den Tod eines Menschen feststellen dürfen und niemand ohne diese ärztliche Bescheinigung (Todesbescheinigung) bestattet werden darf. Damit traten die Ärzte wirksam gegen die falschen Todesfeststellungen (Scheintod) entgegen. Zuvor hatten vor allem Nachtwächter, alte Frauen und Hebammen, aber auch Bader den Tod des Menschen festgestellt, was gelegenlich zu falschen Todesfeststellungen kam. Ende des 19. Jh. haben die Ärzte ihr Ziel erreicht. Nur approbierte Ärzte dürfen den Tod des Menschen feststellen. Siehe: Vom Scheintod zum Hirntod.

Einzelnachweise

  1. Lediglich wenn die Angehörigen den Hirntod nicht als Tod des Menschen anerkennen, muss eine HTD durchgeführt werden, damit die Ärzte eine rechtliche Begründung für die Beendigung der Therapie haben.