Ischämie

Aus Organspende-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Eine Ischämie ist eine Durchblutungsstörung, bei der Minderdurchblutung oder ein vollständiger Durchblutungsausfall eines Gewebes oder Organs auftritt.

Ischämie im Kopf

"Bei einer relativen Ischämie sind aufgrund der zerebralen Minderdurchblutung Funktionen und Stoffwechsel des betroffenen Hirnreals eingeschränkt, in Infarzierungsschwelle ist jedoch (Gewebe erholt sich bei Normalisierung der Durchblutung). Diese Gewebszone wird als Penumbra (Halbschatten) bezeihnet. Eine totale Ischämie ist im Gegensatz dazu durch einen irreversiblen Gewebeschaden gekennzeichnet. Es kommt zum Na+- und H2O-Einstrom in die Zellen mit Zellschwellung (zytotoxisches Ödem) und in der Folge zum Zusammenbruch der Blut-Hirn-Schranke (→ Einstrom osmotisch ativer Substanzen mit vasogenem Hirnödem). Das Ödem drückt auf das Hirngewebe und stört die Blutversorgung dadurch zusätzlich."[1]

Ischämie bei TX

Organ Ischämiezeit
Herz ~ 5 Stunden
Lunge ~ 7 Stunden
Pankreas ~ 10 Stunden
Leber ~ 12 Stunden
Niere ~ 24 Stunden

Für die TX ist die Ischämiezeit der einzelnen Organe von großer Bedeutung, denn binnen dieser Zeit muss das Organ entnommen werden, aus der Entnahmeklinik in das TX-Zentrum transportiert und dort dem Organempfänger eingesetzt sein. Binnen dieser Stunden muss das transplantierte Organ vom Blutkreislauf des Transplantierten durchblutet werden.

Eine Überschreitung dieser Zeit mindert die Qualität des zu transplantierenden Organs bis hin zum Totalausfall des Organs.

Zitate

Das Gehirn hat einen Energieverbrauch von etwa 8cal pro 100g/min. Diese Energie wird beinahe ausschließlich aus der Glucoseoxidation gewonnen. Auch im Schlaf ist dieser Bedarf unverändert. Da das Gehirn keinen Sauerstoffvorrat und nur ein geringes Glucosedepot besitzt, kommt es rasch zu Funktionsveränderungen, nachdem die Sauerstoffversorgung unterbrochen wird. Die Energiereserven des Gehirns, die für 2-3 Minuten ausreichen, können durch sofortige Einschränkung der exogenen Leistungen, also einem Bewußtseinsverlust, länger ausreichen. Von allen Organen reagiert das Gehirn am frühesten auf Sauerstoffmangel mit irreversiblen Schäden.

Allerdings ist die Dauer des Sauerstoffmangels nur ein möglicher Faktor dieser Schädigung. Im Tierexperiment konnte Hossmann (56) zeigen, daß unter besonderen Perfusionsbedingungen und bei Normothermie das Gehirn von Katzen bis zu 60 Minuten ohne Sauerstoff überleben kann. Voraussetzung ist offensichtlich die Erhaltung einer Perfusion für das Glucoseangebot und für den Abtransport der sauren Stoffwechselprodukte. Solche Untersuchungen bestätigen die Vorstellung, daß die „postischämische Anoxie“ auf dem Boden von Störungen der Mikrozirkulation entsteht, die erst nach Beendigung der Ischämiephase im Rahmen der Reperfusion auftreten und wesentlich zum bleibenden Gehirnschaden beitragen.[2]

Tierversuche

"Dass sich die an Kaninchen, Katzen und Hunden erhobenen Wiederbelebungszeiten auch beim Menschen nicht anders verhalten, zeigten Thauer und Brendel 1962. Sie ermittelten aufgrund der verschiedenen Literaturangaben die quantitative Beziehung zwischen Körpertemperatur und \Viederbelebungszeit des Gehirns bei den genannten Versuchstieren. Die aus der Literatur zusammengetragenen Beobachtungen am Menschen über die zerebrale \Wiederbelebungszeit bei verschiedenen Körpertemperaturen, wie sie anlässlich von Herzoperationen unter Hypothermie gemacht worden waren, entsprachen genau der für die Befunde der Tierexperimente abgeleiteten Beziehung.[3]

"Tierexperimentelle Untersuchungen «Über die Erholung und Wiederbelebung des Gehirns nach Ischämie bei Normothermie» führten Hirsch, Euler und Schneider 1957 in Köln durch. Am isolierten durch einen Spender via arteria carotis durchströmten Katzenkopf konnten sie bei einer Temperatur von 37 Grad auch nach vollständiger cerebraler Ischämie von 10 Min. noch eine Erholung des Gehirns, nämlich Aktionspotentiale nach optischem Reiz nachweisen. Die Erholungslatenz (Zeitintervall vom Wiederbeginn der Durchblutung bis zum ersten Auftreten der geprüften zentralnervösen Funktion) stieg aber bei so lange dauernder Ischämie derart rasch an, dass auch bei nur geringer Zunahme der Ischämiezeit mit einer Erholungszeit von unendlich zu rechnen gewesen wäre. Die Autoren schlossen auf Grund dieser Befunde auf eine reine Wiederbelebungszeit des Gehirns von 10 Min. (diejenige Dauer einer Ischämie, nach der eine Wiederbelebung eben noch möglich ist). Bleibende Schädigung differenzierter Hirnfunktionen konnten sie dabei allerdings nicht ausschliessen."[4]

"Auch für das intubierte beatmete Kaninchen, bei welchem sich während einer Strangulation keine Herzinsuffizienz einstellt, fand er eine zerebrale Wiederbelebungszeit von 10 Min. Beim nicht beatmeten Kaninchen resultierte die Asphyxie des Tieres in einer Herzinsuffizienz mit Abfall des Blutdrucks. Unter diesen Bedingungen betrug die Wiederbelebungszeit nur noch 5 Min. Die Befunde von Hirsch konnten auch an Hunden bestätigt werden. Thauer und Brendel fanden schliesslich an Hand von Beobachtungen bei Herzoperationen, dass dieselben Zeitintervalle auch für den Menschen Gültigkeit haben."[5]

"Vorversuche in diese Richtung hatte der amerikanische Chirurg John H. Gibbon (1903–1973) bereits gegen Ende der Dreißigerjahre an Katzen unternommen, wobei ihm 1937 tatsächlich der kurzfristige Ersatz von Herz- und Lungenfunktion gelang. Der Krieg unterbrach zunächst alle Forschungsarbeiten; sie konnten erst in den Fünfzigerjahren wieder aufgenommen werden. Am 6. Mai 1953 konnte dann erstmals eine verbesserte Herz-Lungen-Maschine bei einer Operation des menschlichen Herzens eingesetzt werden. Die von Gibbon konstruierte Maschine übernahm für 26 Minuten Herz- und Lungenfunktion eines 18-jährigen Mädchens, in dessen Herz der Chirurg einen Vorhofseptumdefekt erfolgreich verschloss."[6]

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. O.V.: Alles fürs Examen. Das Kompendium für die 2. Ärzteprüfung. Band B. Stuttgart 2014, 952.
  2. E. Götz, J. Zander: Wiederbelebung. In: Peter Lawin (Hg.): Praxis der Intensivbehandlung. 6. Auflage. Stuttgart 1994, 314.
  3. Alberto Bondolfi, Ulrike Kostka, Kurt Seelmann (Hg.): Hirntod und Organspende. Basel 2003, 220.
  4. Alberto Bondolfi, Ulrike Kostka, Kurt Seelmann (Hg.): Hirntod und Organspende. Basel 2003, 219.
  5. Alberto Bondolfi, Ulrike Kostka, Kurt Seelmann (Hg.): Hirntod und Organspende. Basel 2003, 224.
  6. Wolfgang U. Eckart (Hg.): Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. 8. Auflage. Berlin 2017, 286.