Klaus Kinkel
Klaus Kinkel (1936-2019) war ein deutscher Politiker (FDP) und Jurist. Von 1979 bis 1982 war er Präsident des Bundesnachrichtendienstes, von 1991 bis 1992 Bundesminister der Justiz, von 1992 bis 1998 Bundesminister des Auswärtigen und von 1993 bis 1998 Vizekanzler. Von 1993 bis 1995 war er außerdem Bundesvorsitzender der FDP.
Der Tod seiner Tochter Petra
15 Jahre nach dem Tod seiner Tochter Petra führen Nicola Brüning und Henning Krumrey ein Interview mit Klaus Kinkel darüber. Aus diesem Interview sind diese Zitate. Sie zeigen deutlich auf, wie es Eltern in solchen Situationen geht und wie wichtig es ist, in die Entscheidungung die ganze Familie mit einzubinden:[1]
Petra Kinkel (20) wurde 1982 fahrradfahrend von einem Bus erfasst. Beim Sturz schlug sie mit ihrem Kopf auf der Bordsteinkante auf. Mit schweren Hirnverletzungen kam sie in ein Bonner Krankenhaus, wurde sogleich operiert und kam künstlich beatmet auf die Intensivstation. Als Klaus Kinkel erfuhr, dass seine Tochter nie wieder aufwachen würde, wurde er auf eine Organspende angesprochen. "Ich habe im Schock beim Anblick meiner Tochter nein gesagt. Ich habe es nicht fertiggebracht, anders zu entscheiden. Die Entscheidung traf ich ohne die Beteiligung meiner Frau und meiner anderen Kinder, weil ich es ihnen ersparen wollte. Vielleicht, wenn etwas mehr Zeit gewesen wäre."
Zum Thema Organspende sagte Klaus Kinkel weiter: ". . . als es um den Verkehrsunfall meiner ältesten Tochter ging. Davor habe ich leider gar nicht über dieses Thema nachgedacht. Zu verkraften, daß ein geliebter Mensch einen schrecklichen Unfall hatte und unmittelbar nach einem solchen Schock bei einem hirntoten, aber organisch noch lebenden Kind, über eine Organentnahme entscheiden zu müssen, überstieg meine Kraft."
Und weiter: "Ich weiß, es muß Transplantationen geben, um Leben zu retten. Natürlich müßte – von der Ratio her – dieser Gedanke im Vordergrund stehen. Aber es ist für Angehörige sehr schwer, diesen Entschluß, gerade nach einem schrecklichen Unfall, zu treffen. Die Organe müssen aus dem künstlich am Leben gehaltenen, organisch noch lebenden Körper entnommen werden, weil nur durchblutete Organe übertragen werden können. Ist es da nicht nur natürlich, daß bei Vater oder Mutter das Gefühl die rein verstandesmäßige Betrachtung überwiegt?"
Diese Entscheidung als Eltern ist deswegen so schwer, weil man den Eindruck hat, "das Kind lebt. Es bleibt die Hoffnung: Vielleicht hat es doch noch eine Chance, vielleicht macht es doch die Augen wieder auf und lebt weiter. Und vor allem die Sorge, das Kind könnte bei der Organentnahme noch mehr leiden als bisher schon. In einem solchen Augenblick ist es sehr, sehr schwer, allein Verstandesgesichtspunkte gelten zu lassen."
Als Klaus Kinkel mit diesem "Nein" zur Organspende nach Hause kam, erzählte er seiner Familie davon. "Meine Frau und meine Kinder waren im übrigen – als ich ihnen später meine negative Entscheidung erzählte – der Meinung, daß eine Organentnahme im Sinne unserer Petra gewesen wäre. Das hat mich zusätzlich belastet. Darum engagiere ich mich jetzt so bei diesem Thema: Weil ich erlebt habe, wie betroffen und hilflos man in dieser Situation ist. Aber eben auch, weil das Thema so wichtig ist. Das ist auch der Grund, warum ich nach reiflichem Überlegen diesem Interview zugestimmt habe, das zwangsläufig sehr ins Persönliche geht."
Dieses Erlebnis hinterließ bei Klaus Kinkel tiefe Spuren: "Ich habe mich danach, gerade auch als Bundesjustizminister, sehr intensiv mit dem Thema Organtransplantationen befaßt."
Als Klaus gefragt wurde, ob er mit dem Wissen der Familie anders entschieden hätte, sagte er: "Ja. Diesem Wunsch hätte ich mich gar nicht widersetzen können und dürfen."
Die Folgen
- Augsburger Allgemeine (22.05.2018): "Sie war 20 Jahre alt, hat in Münster studiert, hatte gerade ein Stipendium für Amerika. Ich hatte sie noch am Vortag besucht, wir sind zusammen mit dem Fahrrad durch die Stadt gefahren. Am nächsten Tag ist sie auf dem Rad von einem Bus erfasst worden. Als ich nach Münster geeilt bin, sagte mir der Arzt, dass sie nur noch künstlich am Leben erhalten wurde." Und weiter: "Ich konnte Arbeit und Privatleben trennen. Aber eine solche Erfahrung bleibt für immer. Der Tod meiner Tochter hat auch eine große Rolle gespielt, als es später für mich als Justizminister um das Thema Organspende ging. Denn ich konnte ja nachempfinden, wie einen das zerreißt. Rational weiß man, wie wichtig es ist, Organe zu spenden. Emotional war ich nicht in der Lage, das bei meinem eigenen Kind zuzulassen."[2]
- Tagesspiegel (05.03.2019): "Er engagierte sich bis zum Schluss in zahlreichen sozialen Projekten. Auslöser dafür war nicht nur sein katholischer Glaube, sondern auch die wohl nie verwundene Erschütterung durch den Unfall seiner 20-jährigen Tochter, die auf dem Fahrrad von einem Bus erfasst worden war. Er hat später geschildert, wie er, als sie schon hirntot war, an ihrem Krankenbett unter Schock die Erlaubnis zu einer Organspende verweigerte und sich erst später im Gespräch mit seiner Familie und Experten mit der Thematik der Organtransplantation befasste – und zu dem Schluss kam, dass jeder Mensch durch einen Organspenderausweis selber dokumentieren solle, ob er dazu bereit wäre."[3]
Anhang
Anmerkungen
Einzelnachweise
- ↑ Nicola Brüning, Henning Krumrey: "Ich habe es nicht fertiggebracht". In: Focus (09.06.1997). Nach: https://www.focus.de/politik/deutschland/deutschland-ich-habe-es-nicht-fertiggebracht_aid_164161.html Zugriff am 23.12.2019.
- ↑ Augsburger Allgemeine (22.05.2018). Nach: https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Unser-letztes-Interview-mit-Klaus-Kinkel-Trump-ist-wie-ein-Kind-id51181506.html Zugriff am 23.12.2019.
- ↑ Tagesspiegel (05.03.2019). Zum Tode von Klaus Kinkel. Im Einklang mit den Nachbarn unsere Rolle finden. Nach: https://www.tagesspiegel.de/politik/zum-tode-von-klaus-kinkel-im-einklang-mit-den-nachbarn-unsere-rolle-finden/24066856.html Zugriff am 23.12.2019.