SAMW 1981

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Richtlinie für die Definition und die Diagnose des Todes (1981)

Am 17.11.1981 beschloss die SAMW die "Richtlinie für die Definition und die Diagnose des Todes".[1] Darin heißt es:

Einleitung

Die medizinische Ethik umfasst weitreichende Gebiete, die immer wieder neue Fragen aufwerfen. Ethische Entscheidungen verlangen in gleicher Weise wissenschaftliche Überlegungen wie praktische Stellungnahmen. Eine intensive Zusammenarbeit der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften und der Verbindung der Schweizerischen Ärzte ist deshalb notwendig und hat sich bewährt, denn der Arzt ist durch die Verbundenheit und die Verwurzelung in einer Gemeinschaft den ethischen Grundsätzen seiner Zeit und seines Landes eng verpflichtet. Es wird geleitet durch seine Haltung, sein fachliches Können und seine Bereitschaft, sich dem Patienten, dem körperlich Kranken oder seelisch Belastenden zuzuwenden und ihn als Menschen zu verstehen.
Für die Tätigkeit von Ärzten und Forschern sollen medizinische Richtlinien Wegleitungen bieten. 1969 bis 1976 hat die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften bereits drei Richtlinien herausgegeben, so 1969 für die Definition und die Diagnose des Todes, 1970 für Forschungsuntersuchungen am Menschen und 1976 für die Sterbehilfe. In den letzten Jahren hat die Akademie sich mit weiteren medizinisch-ethischen Fragen beschäftigt, die in verschiedenen Subkommissionen und dann ab November 1979 in einer Zentralen medizinisch-ethischen Kommission eingehend beraten wurden. Die gedankliche Aussprache fand ihren Niederschlag in einem Symposium vom 28./29. März 1980 in Basel über 'Ethik und Medizin - die Würde des Patienten und die Fortschritte der Medizin'. Ethische Stellungnahmen und Leitlinien für das Vorgehen der Ärzte wurde von Vertretern der Philosophie, Theologie, Jurisprudenz und Psychologie sowie von Ärzten aus verschiedenen Fachbereichen und Vertretern der schweizerischen Ärzteschaft und der Krankenschwestern dargelegt und zur Diskussion gestellt. Anschliessend sind von der Zentralen medizinischen Kommission der SAMW medizinisch-ethischen Richtlinien in den Sitzungen vom 18. November 1980 und vom 24. Februar 1981 verabschiedet und dann dem Senat der Akademie vorgelegt worden.

Die am 17. November 1981 vom Senat in zweiter Lesung genehmigten und hier wiedergegebenen Richtlinie sind die folgenden:

  1. Richtlinien der Zentralen medizinisch-ethischen Kommission der SAMW (Tätigkeit und Organisation) S.S. 616.
  2. Richtlinien für Forschungsuntersuchungen am Menschen, s.S. 617.
  3. Richtlinie für die Sterbehilfe, s.S. 619.
  4. Medizinisch-ethische Richtlinien zur Transplantation, s.S. 621.
  5. Zu 4. beigefügt: Richtlinie für die Definition und die Diagnose des Todes, s.S. 622.
  6. Medizinisch-ethische Richtlinien für die artifizielle Insemination, s.S. 623.
  7. Medizinisch-ethische Richtlinie zur Sterilisation, s.S. 624.

Prof. O. Gesll
Präsident des Zentralen medizinisch-ethischen Kommission der Akademie

Prof. R.-S. Mach, Prof. A. Cerletti
Präsidenten der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften

17. November 1981 (S. 3f)

Richtlinie für die Definition und die Diagnose des Todes
  1. Die Entwicklung der Reanimationstechnik hat es notwendig gemacht, die biologischen Kriterien des menschlichen Todes neue festzulegen.
  2. Es ist möglich, beim Menschen den Ausfall der Atemfunktion durch künstliche Beatmung und den der Herztätigkeit durch Herzmassage und Pumpsysteme zu kompensieren.
  3. Es ist nicht möglich, die gesamthaften Auswirkungen des vollständigen irreversiblen Funktionsausfalls des Gehirns durch irgendwelche Maßnahmen zu beheben.

Ein solcher Funktionsausfall ist dem Tod des Gehirns gleichzusetzen. Er führt zwangsläufig zum Absterben des übrigen Oganismus.

  1. Ein Mensch ist als tot zu betrachten, wenn eine oder beide der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
    a) Irreversibler Herzstillstand mit der dadurch unterbrochenen Blutzirkuklation im Organismus und damit auch im Gehirn: Herz-Kreislauf-Tod.
    b) Vollständiger, irreversibler zerebraler Funktionsausfall oder Tod des Gehirns: zerebraler Tod.
  2. Der vollständige, irreversible zerebrale Funktionsausfall trotz vorhandener Herzaktion ist bei normo-, hyper oder höchstens geringgradiger hypothermen (Körpertemperatur nicht unter 34°C), nicht narkotisierten und nicht im Zustand einer akuten Vergiftung sich befindenden menschlichen Organismus anzunehmen, wenn bei mehrfacher Untersuchung die fünf folgenden Symptome zusammentreffen:
    1. Kein Ansprechen auf irgendwelche sonsorischen und sensiblen Reize.
    2. Keine spontane Atmung und keinen anderen spontanen zentralgesteuerten motorischen Erscheinungen im Bereich der Augen, des Gesichts, des Gaumens und des Rachens, des Stammes und der Extremitäten.
    3. Extremitäten schlaff und reflexlos.
    4. Beide Pupillen weit und lichtstarr.
    5. Rascher Blutdruckabfall, gegebenenfalls nach dem Absetzen der künstlichen Stützung des Kreislaufes.
      Dieser vollständige zerebrale Funktionsausfall ist dem Tod des Gehirns gleichzusetzen. Ein Elektroenzephalogramm kann ihn bestätigen und dokumentieren.
      Beim Kleinkind müssen die besseren Restitutionsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
  3. Das Gehirn ist ebenfalls als tot zu betrachten
    - wenn bei normo-, hyper- oder geringgradig hypothermen (Körperemperatur nicht unter 34) menschlichen Organismus während mindestens 20 Minuten kein zerebraler Stoffwechsel mehr festzustellen ist oder
    - wenn im Karotisangiogramm eindeutig nachgewiesen wird, dass kein Blut mehr ins Gehirn gelangt.
  4. Der Zeitpunkt des Todes ist derjenige des Hirntodes. Es ist dies
    a) beim primären irreversiblen Herz- und Kreislaufstillstand der Zeitpunkt des Auftretens von weiten und lichtstarren Pupillen;
    beim primär zerebralen Tod der Zeitpunkt des Auftretens aller Symptoome des vollständigen irreversiblen zerebralen Funktionsausfalls.
  5. Zur Feststellung des Todes ist nur ein Arzt (der behandelnde oder der nach dem Tod beigezogene) berechtigt.
  6. Nach Eintritt des Herz-Kreislauf-Todes oder des zerebralen Todes ist
    a) das endgültige Absetzen der eventuell eingeleiteten künstlichen Beatmung oder einer eventuell eingeführten Kreislaufstützung durch den Arzt gerechtfertigt,
    b) die Entnahme überlebender Organe zulässig.
  7. a) Sofern nicht eine eindeutige Zerstörung des Gehirn vorliegt, muss vor der Entnahme von überlebenden Organen zu Transplantationszwecken der zerebrale Tod durch elektroencelpahlographische Untersuchungen oder durch den Nachweis des fehlenden zerebralen Blutzirkulation (z.B. Karotisangiogramm) dokumentiert sein.
    b) Ist bei primär zerebralem Tod die Entnahme von überlebenden Organen zu Transplantationszwecken vorgesehen, so hat der behandelnde Arzt zur Feststellung des zerebralen Todes einen Neurologen oder Neurochirurgen und zur Beurteilung des Elektroenzephalogramms einen in dieser Hilfsmethode erfahrenen Spezialisten beizuziehen.
    c) Die den zerebralen Tod feststellenden Ärzte müssen vom Transplantationteam unabhängig sein.

25. Januar 1969
und 17. November 1981(23-25)

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. SAMW: Richtlinie für die Definition und die Diagnose des Todes. (1981) Nach: https://www.assm.ch/dam/jcr:79e1dffe-22c3-42c6-ac9d-bcb9f6121005/RL_Derichtlinien_samw_definition_und_diagnose_des_todes_1981f_Tod_69_Rev81c.pdf Zugriff am 04.09.2020.