Olfaktorische Wahrnehmung

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Allgemeines

Die olfaktorische Wahrnehmung (Riechwahrnehmung, Geruchssinn) ist die Wahrnehmung von Gerüchen. Die Zusammenhänge des komplexen Geruchssinns erforscht die Osmologie oder Osphresiologie.

An der olfaktorischen Wahrnehmung können verschiedene sensorische Systeme beteiligt sein: neben dem eigentlichen olfaktorischen System (Geruchsreize) auch das nasal-trigeminale System (taktile und chemische Reize) sowie Einflüsse des gustatorischen Systems (Geschmacksreize). Der Geruchssinn ist der komplexeste chemische Sinn. Die Sinneszellen des Geruchs sind mit spezifischen Geruchsrezeptoren ausgestattet und bei Wirbeltieren in der Regel in der Nase lokalisiert. Manche Gerüche werden nicht bewusst wahrgenommen (siehe auch Jacobson-Organ).

Der Geruchssinn ist bei der Geburt schon weitgehend ausgebildet. Seine Sinneszellen im Riechepithel werden beim Menschen alle 30 bis 60 Tage erneuert. Dabei sterben Riechzellen ab (Apoptose) und werden durch junge, aus der Teilung von basalen Zellen hervorgegangene Neuronen ersetzt. Deren Neuriten wachsen ortsspezifisch aus und ziehen meist an die frei gewordenen Stellen im Riechkolben.

Die Sensoren für das Riechen befinden sich in der Nase. Sie sind in die Riechschleimhaut eingebettet, welche sich auf die obere Nasenmuschel und die oberen Abschnitte der lateralen Nasenwand ausdehnen. Das Riechepithel besteht aus Stütz- und Sinneszellen. Die Haare der Sinneszellen (Haarzellen) ragen über die Begrenzung über die Begrenzung der Schleimhaut hinaus in das Lumen der Nase. Die Riechhaare liegen oberhalb des Luftstromes der Atmung und werden von der Atemluft nur durch Verwirbelung erreicht. Hochfrequente Ein- und Ausatmung kleiner Volumina (Schnüffeln) begünstigt die Verwirbelung und intensiviert den Kontakt. Aus den Sinneszellen treten an der Basis der Schleimhaut Nervenfasern (Richfäden) aus. Sie verbinden die Riechzellen mit den Riechkolben, die links und rechts der Mittellinie des Stirnlappens an der Basis des Schädels liegen. Aus dem Riechkolben entstehen der Tractus olfactorius, der sich mehrfach aufteilt und verschiedene Areale des Stirn- und Schläfenlappens aufsucht. Dort wird der Geruch festgestellt und identifiziert. Zu den Assoziationszentren gehört auch das VNS (vegetative Nervensystem, welches je nach Art des Duftes die Verdauung von Nahrungsmitteln vorbereitet.[1]

Es gibt Moleküle, die sich in ihrer Struktur völlig unterscheiden, aber gleich riechen. Eine Antwort darauf hat man noch nicht gefunden.[2]

Über das Riechen nimmt der Mensch Geruchsstoffe aus der Umwelt auf. Dabei verlaufen von den Riechzellen Nervenfasern direkt zum primären Riechzentrum, dem Riechkolben. Über den Hippocampus werden Gerüche im Langzeitgedächtnis gespeichert.

"Wie der Geschmackssinn ist der Geruchssinn ein chemischer Sinn. Spezielle Rezeptoren in der Nasenhöhle registrieren Moleküle, die beim Atmen in die Nase gelangen und an die Rzeptorzellen binden. Schnüffeln saugt mehr Geruchsmoleküle in die Nase, sozusagen eine 'Geruchsprobe'. Schnüffeln ist ein Reflex, sobald ein Geruch unsere Aufmerksamkeit erregt, und kann vor Gefahr warnen, etwa einem rauchenden Feuer oder verdorbener Nahrung. Olfaktorische Rezeptoren hoch oben in der Nasenhöhle senden elektrische Impulse an den Riechkolben (Bublus olfactorius), Teil des limbischen Systems."[3]

Der Amygdala gehört mit zum Riechhirn. Alles was wir riechen, wird sofort im Amygdala und somit im limbischen System verarbeitet. "Wir riechen immer mit Gefühl. Einen neutralen Geruch kann es nicht geben. Das unterscheidet den Geruchssinn von allen anderen Sinnen."[4]

Im Riechhirn werden täglich etwa 10.000 neue Nervenzellen gebildet, damit unsere Riechfähigkeit erhalten bleibt. Biologisch könnten wir über eine Billion unterschiedlicher Gerüche differenzieren. Kein Sinn ist so vielfältig.[5]

Theoretisch kann der Mensch etwa eine Billion unterschiedlicher Gerüche wahrnehmen.[6]

"Diese 1:1-Weiterleitung geschieht über den im Gewölbe des Nasenraumses lokalisierten Geruchsnerv, den 'Bulbus olfactorius'. Dieser ist eigentlich gar kein Nerv, sondern ein nach außen gestülpter Teil unseres Gehirns."[7]

Wahrnehmungskette der olfaktorische Wahrnehmung

Wahrnehmungskette der olfaktorische Wahrnehmung I

Rita Carter beschreibt die Wahrnehmungskette des Riechens wie folgt:[8]

Wahrnehmungskette der olfaktorische Wahrnehmung I

Der Mensch hat in seinem Riechepithel ca. 30 Mio. Riechsinneszellen, die jeweils auf ein bestimmtes Geruchsmolekül ansprechen. Der Riechkolben ist einer der wenigen Regionen, in denen absterbende Nervenzellen permanent durch nachwachsende Neurone ersetzt werden. Dadurch wird ständig unser Geruchssinn erneuert:[9]

  • Riechkolben
    Die Riechsinneszellen lösen ein Aktionspotential aus und leiten es an den Riechkolben weiter.
  • Riechhirn
    Das Riechhirn ist eine für den Geruchssinn eigens ausgebildete Hirnregion. Dies haben andere Sinne nicht. Im Riechhirn wird der Geruch bewusst gemacht. - Vom Riechhirn werden Informationen an das limbische System weitergegeben, u.a. an die Amygdala. Daher erfolgt immer eine emotionale Bewertung eines Duftes. Es gibt keinen neutralen Geruch.

Sonstiges

Evolution des Riechens

Die olfaktorische Wahrnehmung ist sehr alt. Sie hat bereits vor etwa 500 Mio. Jahren bei den Fischen begonnen. Mit dem aufrechten Gang des Menschen trat das Sehen an die erste Stelle und der Geruchssinn verkümmerte. Bei vielen Tieren hingegen dominiert noch immer der Geruchssinn. Wie lebenswichtig der Geruchssinn noch immer für den Menschen ist, zeigen der Gas- oder Rauchgeruch. Auch für die sexuelle Selektion ("Ich kann Dich gut riechen"), emotionale Reaktionen und Nahrungsvorlieben ist der Geruchssinn ebenso bedeutsam.[10]

"Im Hinblick auf die Entwicklung des Gehirns in der Evolution ist das Riechhirn uralt. Während der Input für andere Sinne wie Tasten, Sehen oder Hören im Thalamus zwischengelagert wird und damit eine Kontrolle möglich ist, was im Bewusstsein landet und was nicht, rutschen die Geruchseindrücke ungefiltert in das limbische System und lösen dort Emotionen aus und wecken Erinnerungen."[11]

Leistungsumfang

Unser menschliches Riechorgan verfügt über ein "Alphabet" mit 350 Buchstaben. Damit kann es "Duftwörter" bilden mit jeweils über 100 Buchstaben. Damit lassen sich mathematisch locker die geschätzten 100.000 unterschiedliche Düfte bilden, zu deren Wahrnehmung wir von der Grundanlage her fähig sind.[12]

In der Nasenhöhle sitzen etwa 1.000 verschiedene Rezeptortypen, doch wir können rund 20.000 Gerüche unterscheiden. Die Aussage "ein Rezeptor, ein Geruch" kann somit nicht gelten. Forschungen zeigten, dass jeder Rezeptor mehrere Zonen hat, die jeweils auf mehrere Geruchsmoleküle reagieren. Zudem reagieren mehrere Rezeptoren auf das gleiche Geruchsmolekül. Ein Geruch aktiviert somit unter den Rezeptoren ein typisches Muster, eine eigene Signatur, die sie an das Gehirn senden.[3]

Auf der "Nasenschleimhaut sind mehr als 20 Millionen Riechzellen untergebracht. Jede dieser hoch spezialisierten Neuronen ist für einen bestimmten Dufteindruck zuständig. Für jeden Geruch - Fisch, Levendel, Schuhleder, Rose oder Teer - gibt es Spezialisten in Form von mehr als 400 unterschiedlichen Rezeptorentypen. Die in der Luft schwebenden Moleküle und Teilchen, die auf die Nasenschleimhaut treffen, passen wie ein Schlüssel in ein Schloss und reizen einen bestimmten Typ von Nervenzelle, sodass ein ganz spezielles Duftmuster ausgelöst wird. Der Mensch ist in der Lage, geringste Konzentrationen von Duftstoffen wahrzunehmen, die Wahrnehmungsschwelle für einen Duftstoff in der Luft liegt bei 108 Molekülen."[13]

Nach Schätzungen sollen wir Menschen über eine Billion verschiedene Riechstoffe unterscheiden können. Damit haben wir mit dem Geruchssinn den genauesten Sinn.

Geruchssinn beim Menschen

Bereits Neugeborene ziehen den Geruch der mütterlichen Brust dem der Brust anderen Frauen vor. Dies zeigt, wie geruchsorientiert wir Menschen sind, auch wenn wir uns dessen nicht immer bewusst sind. Forschungen zum Vorkommen von Pheromonen bei Menschen zeigten, dass eine Synchronisierung des Zyklus bei Frauen auftreten kann, wenn diese geruchlose Substanzen (vermutlich Pheromonen) aus der Achsel einer anderen Frau ausgesetzt wird. Besprüht man in einem Wartezimmer einen Stuhl mit dem moschusähnlichen Androsteron, das im Männerschweiß enthalten ist, bevorzugen Frauen diesen damit besprühten Stuhl. Frauen sind geruchsempfindlicher für Androsteron als Männer, zur Zeit des Eisprungs nehmen sie sogar Konzentrationen von 1 ppt wahr.[14]

Bereits Neugeborene erkennen die mütterliche Brust am Geruch und können sie von beliebig vielen fremden Brustwarzen unterscheiden. Umgekehrt kann eine Mutter das verschwitze T-Shirt ihres Kindes unter Hunderten anderen identischen Sporthemden herausfinden. Der Geruchssinn spielt auch eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl. Wer sich "gut riechen kann", findet zueinander. Diese Partnerbindungen halten auch. Es gibt auch einen typischen Familiengeruch. Er hängt mit dem Immunsystem des Menschen zusammen. So können eineiige Zwillinge auch von speziell geschulten Spürhunden nicht am Geruch unterschieden werden.[15]

Durch die direkte Verbindung vom Riechnerven zum limbischen System, den Mandelkernen und dem Hypothalamus mit seinen Verschaltungen zum VNS sind für uns Gerüche immer mit Emotionen verbunden. "Gerüche sind also in der Lage, emotionsgeladene Erinnerungen in uns wachzurufen. Natürlich ist unsere Sexualität stark mit Emotionen verbunden, die eng mit dem limbischen System verknüpft sind und bei denen der Geruchssinn eine entscheidende Bedeutung hat."[16]

Geruchssinn bei Tieren

Art Anzahl Fläche
Mensch 12 Mio. 10 cm²
Katze 70 Mio. 21 cm²
Kaninchen 100 Mio. ?
Hund 1 Mrd. 170 cm²
Bloodhound 4 Mrd. 381 cm²

Anzahl = Anzahl der Geruchsrezeptoren
Fläche = Fläche des Riechepithels

Die Fläche des Riechepithels und die Dichte der Rezeptoren sind dafür ausschlaggebend, wie gut ein Tier riechen kann. So sind Haushunde mit dem Geruchssinn eines Schakals die idealen Spürhunde für Sicherheitsdienste zur Gefahrenabwehr.[10]

Dies gilt als Faustregel, kann jedoch nicht verallgemeinert werden. Bienen haben z.B. nur 60.000 Duftrezeptoren.[17] Mit ihren sensiblen Antennen sind Bienen selbst Spürhunden eine Nasenlänge voraus. Die Insekten riechen nämlich geringste Mengen bestimmter Duftstoffe sogar noch aus mehreren Kilometern Entfernung. So sind Bienen beim Aufspüren illegaler Drogen besser als Spürhunde.[18] Auch zur Erschnüffelung von Sprengstoffen sind die Bienen geeignet.[19] So sind sie in der Lage Dynamit, Plastiksprengstoff und auch andere spezielle Materialien aufzuspüren.[20]

"Es gibt einen typischen Familiengeruch, der mit dem Immunsystem des Menschen zusammenhängt. Eineiige Zwillinge können auch speziell geschulten Spürhunden nicht am Geruchh unterschieden werden."[21]

Stereoskopisches Riechen

Wir haben zwei Nasenlöcher. Ähnlich wie wir mit unseren beiden Augen stereoskopisch (räumlich) sehen können, können wir mit unseren beiden Nasenlöchern auch räumlich riechen. Leider ist diese Fähigkeit bei uns Menschen im Laufe der Evolution sehr verkümmert.[10]

Chemie des Riechens

Riechen erfolgt über Geruchsmoleküle in der Luft. Es gibt 8 Grundgerüche: kampferartig, fischig, malzig, minzig, moschusartig, spermatisch, schweißig und urinös. Oft haben Duftmoleküle einer Kategorie Ähnlichkeiten. So haben minzige Moleküle oft eine Struktur gemeinsam. Winzige Strukturunterschiede können jedoch sehr verschiedene Gerüche erzeugen: Octanol, ein Alkohol, riecht nach Orange. Octansäure, eine gesättigte Fettsäure, hingegen, die sich vom Octanol nur durch ein Sauerstoffatom unterscheidet, riecht nach Schweiß.[3]

Zelltypen

"Fünf Zelltypen lassen sich in der Riechschleimhaut unterscheiden: die Olfaktorischen Rezeptorneurone (ORN), die Stützzellen, die Basalzellen, die Mikrovillizellen und die Bowmanschen Drüsen (Graziadei and Graziadei, 1979; Jafek, 1983). Nur die ORNs und die Stützzellen reichen bis an die apikale Oberfläche."[22]

"Die olfaktorischen Rezeptorneurone (ORN) sind bipolare Nervenzellen, deren Zellkörper sich in der Mitte des Riechepithels befindet. Sie haben eine Lebenszeit von nur 30-60 Tagen und werden kontinuierlich von den Stammzellen in der Basalzellschicht ersetzt (Caggiano et al., 1994; Calof and Chikaraishi, 1989; Graziadei and Graziadei, 1979). ORNs bilden nur einen einzigen Dendriten aus, der gegen die Oberfläche hin orientiert ist und dort eine kolbenförmige Verdickung bildet. Aus ihm gehen 5 bis 40 Sinneshaare oder Zilien hervor, die vollständig von dem Flüssigkeitsfilm bedeckt werden, der die Regio olfactoria überzieht (Frisch, 1967; Kauer, 1981). Die Sinneshaare ähneln aufgrund der typischen 9+2 Anordnung der Mikrotubuli Kinozilien, jedoch sind sie durch das Fehlens von Dynein in Säugetieren nicht aktiv beweglich (Jafek, 1983; Kauer, 1981; Menco, 1984)."[23]

"Jedoch konnte in einigen elektrophysiologischen Studien das Ansprechen hypothalamischer Neurone auf Stimulation mit Riechstoffen oder infolge einer elektrischen Stimulation am Bulbus olfactorius gezeigt werden (Takagi, 1986; Tazawa et al., 1987). Bei diesen Versuchen zeigte sich auch, dass der Hypothalamus relativ selektiv auf verschiedene Riechstoffe reagierte. Der genaue Ursprung der in den Hypothalamus ziehenden Neurone ist beim Primaten noch nicht vollständig aufgeklärt, jedoch scheint eine ähnliche Verschaltung wie bei den Nicht-Primaten wahrscheinlich."[24]

Riechen und Erinnerung

Gerüche können durch der Verschaltung zwischen Riechsystem und Hippocampus lebhafte Erinnerungen wachrufen. Auch wenn wir sie bewusst nicht wahrnehmen, können sie unseren emotionalen Zustand beeinflussen. Gerüche und Geschmäcker sind immer emotional besetzt. Um den Geruch wahrzunehmen, genügt es wenn unter einer Billion Luftmoleküle ein Duftmolekül ist. Wenn wir bestimmte Gerüche wahrnehmen, spricht der Hippocampus im Langzeitgedächtnis Erinnerungen an, die wir mit diesem Geruch machen durften. Dieses Wachrufen der Erinnerung wird "Madeleine-Effekt" genannt.[25] Bereits Marcel Proust (1871-1922) beschrieb, dass Geschmack und Geruch uns weiter in die Vergangenheit versetzen als Bilder oder Töne.[14]

Der Hyppocampus verbindet Ereignissen mit allen möglichen Sinneseindrücken. Die Wiederbegegnung mit derlei Anblicken, Gerüchen oder Geräuschen löst oft Erinnerungen aus. Am stärksten ist dies oft bei Gerüchen der Fall, weil die Riechrinde mit allen Emotionsarealen im limbischen System verbunden sind. Forschungen zeigen, dass ein optischer Eindruck binnen Tagen verblasst. Erinnerungen an einen Geruch besteht oft Jahre oder gar Jahrzehnte. Dabei hat der Hyppocampus keine entscheidende Rolle, da sich auch Menschen mit einer Schädigung des Hippocampus sich trotz generellem Gedächtnisverlust noch an Gerüche ihrer Kindheit erinnern.[14]

Vladimir Nabokov (1899-1977): "Unser Gedächtnis kann fast alles wiedererstehen lassen, nur Gerüche nicht, obwohl die Vergangenheit durch nichts so vollkommen wieder auflebt wie durch einen Geruch, der einst mit ihr verbunden war."[26]
Hans J. Markowitsch (*1949) klärt dieses Phänomen auf, denn "das Gedächtnis entstand evolutionär als Geruchsgedächtnis."[27] Die Duftinformationen werden direkt in die alten Teile unseres Gehirns geleitet, die das Reich des Unbewussten ausmachen und für Instinkte, Emotionen und Erinnerungen zuständig sind.

"Fast jeden Tag erfahren wir eine besondere Eigenart des olfaktorischen Systems. Kurz nachdem man z.B. einen Raum mit einem bestimmten Geruch betritt, verliert man die Fähigkeit, ihn in der initialen Stärke wahrzunehmen. Nach einiger Zeit riecht man ihn oft überhaupt nicht mehr. Mindestens drei der oben beschriebenen anatomischen Strukturen zeichnen nach unserem heutigen Wissen für dieses Phänomen verantwortlich: Der olfaktorische Rezeptor, der Bulbus olfactorius und der Cortex piriformis."[28]

Riechen und Erbrechen

"Elektrophysiologische Stimulation an Neuronen der Insula führte in anderen Studien zur Auslösung des Brechreizes. Bedenkt man die oben geschilderte Konvergenz olfaktorischer Afferenzen mit Afferenzen aus Hirngebieten, die der autonomen Regelung des Körpers dienen, so könnte hierin eine Erklärung für das Phänomen liegen, dass starke Gerüche einen Brechreiz auslösen können."[29]

Schaden am Geruchssinn

"Über die Geruchsstörungen bei Hirnverletzten ist von Kleist (...), Faber und Jung (...), Bay (...), Stier (...), Walter-Büel (...) und anderen ausführlich berichtet worden. Bay berichtete, daß an der Heidelberger Klinik unter 3215 Kopfverletzungen in 300 Fällen Richstörungen in Form von ein- oder doppelseitiger Hyp- oder Anosmie und pathologischen Geruchswahrnehmungen zur Beobachtung gelangten. Das sind also etwa 9,3% der Fälle, wobei zwischen offenen Hirnverletzungen (10,4%) und stumpfen Schädeltraumen (8,8%) kein wesentlicher Unterschied bestand."[30]

"Nun ist in der Hirnpathologie jedoch neben den rein quanntitativen Veränderungen der Geruchswahrnehmung stets auch die qualitative Abwandlung, die pathologische Wahrnehmung, von besonderem Interesse, die sich anfallweise ohne äußeren Reiz einstellt und bereits zum engeren Bereich des Psychopathologischen überleitet. Hier sind vor allem die Geruchshalluzinationen zu nennen, die im Rahmen des Uncinatus-Syndroms (Jackson, Cushing, Balley) auftreten. Walther-Büel (...) fand bei 600 Tumoren 17 Fälle (2,8%) von Uncinatus-Auren."[31]

"Alle Autoren stimmen darin überein, und das entspricht auch unseren Beobachtungen, daß die pathologischen Geruchssensationen bei hirnorganisch Kranken immer unangenehmer Art sind. Die Patienten von Kleist schildern ihre Wahrnehmung mit 'schrecklicher Geruch, Leichengeruch, süßlich-fauliger Geruch, Geruch wie nach Stinkbomben, nach Rauch, nach Gasen' usw. Bays Patienten berichten von 'widerlichen, Aas-, Kot-, Eiter-Gerüchen', unsere Patienten berichten von 'Geruch nach faulem Eiweiß, nach Blut, nach altem Fisch' usw. Zwei Patienten von Bente und Kluge (...) (Uncinatus-Syndrome) sprechen von 'Geruch nach Kot, Benzin oder Schmieröl' und von 'penetrantem Geruch, der an Krankenhaus oder auch an Kampfer erinnert'."[32]

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Hermann Bünte, Klaus Bünte: Das Spektrum der Medizin. Illustriertes Handbuch von den Grundlagen bis zur Klinik. Stuttgart 2004, 1522.
  2. Christiane Stenger: Wer lernen will, muss fühlen. Wie unsere Sinne dem Gedächtnis helfen. Reinbeck 2016, 200.
  3. a b c Rita Carter: Das Gehirn. Anatomie, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Bewusstsein, Störungen. München 2010, 94.
  4. Henning Beck, Sofia Anastasiadou, Christopher Meyer zu Reckendorf: Faszinierendes Gehirn. Eine bebilderte Reise in die Welt der Nervenzellen. Heidelberg 2016, 48.
  5. Henning Beck, Sofia Anastasiadou, Christopher Meyer zu Reckendorf: Faszinierendes Gehirn. Eine bebilderte Reise in die Welt der Nervenzellen. Heidelberg 2016, 49.
  6. Henning Beck, Sofia Anastasiadou, Christopher Meyer zu Reckendorf: Faszinierendes Gehirn. Eine bebilderte Reise in die Welt der Nervenzellen. Heidelberg 2016, 173.
  7. Christof Kessler: Glücksgefühle. Wie Glück im Gehirn entsteht. München 2017, 85.
  8. Rita Carter: Das Gehirn. Anatomie, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Bewusstsein, Störungen. München 2010, 95.
  9. Henning Beck, Sofia Anastasiadou, Christopher Meyer zu Reckendorf: Faszinierendes Gehirn. Eine bebilderte Reise in die Welt der Nervenzellen. Heidelberg 2016, 172.
  10. a b c Rita Carter: Das Gehirn. Anatomie, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Bewusstsein, Störungen. München 2010, 96.
  11. Christof Kessler: Glücksgefühle. Wie Glück im Gehirn entsteht und andere erstaunliche Erkenntnisse der Hirnforschung. München 2017, 85.
  12. Christiane Stenger: Wer lernen will, muss fühlen. Wie unsere Sinne dem Gedächtnis helfen. Reinbeck 2016, 192.
  13. Christof Kessler: Glücksgefühle. Wie Glück im Gehirn entsteht. München 2017, 86.
  14. a b c Rita Carter: Das Gehirn. Anatomie, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Bewusstsein, Störungen. München 2010, 97.
  15. Siehe: Christof Kessler: Glücksgefühle. Wie Glück im Gehirn entsteht und andere erstaunliche Erkenntnisse der Hirnforschung. München 2017, 86f.
  16. Christof Kessler: Glücksgefühle. Wie Glück im Gehirn entsteht und andere erstaunliche Erkenntnisse der Hirnforschung. München 2017, 87.
  17. Gunnar Bartsch: Wie Bienen riechen (06.02.2013) In: https://www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/pressemitteilungen/single/news/wie-bienen Zugriff am 12.11.2018.
  18. Heike Ruff: Bienen sind die besseren Spürhunde. (03.01.2017) In: https://www.bienenundnatur.de/fuer-einsteiger/wissenswertes/bienen-sind-die-besseren-spuerhunde Zugriff am 12.11.2018.
  19. Franziska: Bienen: Mehr als nur Bestäuber und Honigproduzenten (15.07.2015) In: https://nearbees.de/blog/bienen-mehr-als-nur-bestaeuber-und-honigproduzenten Zugriff am 12.11.2018.
  20. Bombenschnüffelnde Bienen. In: FAZ (01.12.2006) Nach: http://www.faz.net/aktuell/wissen/natur/militaerforschung-bombenschnueffelnde-bienen-1381778.html Zugriff am 12.11.2018.
  21. Christof Kessler: Glücksgefühle. Wie Glück im Gehirn entsteht. München 2017, 86f.
  22. Alexander Pöllinger: Funktionelle Kernspintomographie (fMRI) des olfaktorischen Cortex beim Menschen – Darstellung olfaktorischer Projektionen und Analyse des Habituationseffekts. (med. Diss.). Frankfurt 2000, 27.
  23. Alexander Pöllinger: Funktionelle Kernspintomographie (fMRI) des olfaktorischen Cortex beim Menschen – Darstellung olfaktorischer Projektionen und Analyse des Habituationseffekts. (med. Diss.). Frankfurt 2000, 28.
  24. Alexander Pöllinger: Funktionelle Kernspintomographie (fMRI) des olfaktorischen Cortex beim Menschen – Darstellung olfaktorischer Projektionen und Analyse des Habituationseffekts. (med. Diss.). Frankfurt 2000, 42.
  25. https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/riechen-schmecken/riechen-und-schmecken-oft-unterschaetzt-3506 Zugriff am 5.8.2016.
  26. Vladimir Nabokov. Zitiert nach: Christiane Stenger: Wer lernen will, muss fühlen. Wie unsere Sinne dem Gedächtnis helfen. Reinbeck 2016, 187.
  27. Hans J. Markowitsch. Zitiert nach: Christiane Stenger: Wer lernen will, muss fühlen. Wie unsere Sinne dem Gedächtnis helfen. Reinbeck 2016, 187.
  28. Alexander Pöllinger: Funktionelle Kernspintomographie (fMRI) des olfaktorischen Cortex beim Menschen – Darstellung olfaktorischer Projektionen und Analyse des Habituationseffekts. (med. Diss.). Frankfurt 2000, 45.
  29. Alexander Pöllinger: Funktionelle Kernspintomographie (fMRI) des olfaktorischen Cortex beim Menschen – Darstellung olfaktorischer Projektionen und Analyse des Habituationseffekts. (med. Diss.). Frankfurt 2000, 140f.
  30. W. Klages, I Klages: Über den Geruchsinn des Menschen und seinen Erlebniswelt beim Gesunden und Kranken. In: Dtsch. med. Wschr. 92 (1967), 873.
  31. W. Klages, I Klages: Über den Geruchsinn des Menschen und seinen Erlebniswelt beim Gesunden und Kranken. In: Dtsch. med. Wschr. 92 (1967), 874.
  32. W. Klages, I Klages: Über den Geruchsinn des Menschen und seinen Erlebniswelt beim Gesunden und Kranken. In: Dtsch. med. Wschr. 92 (1967), 874.