Argumente gegen die WSR
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Vorgebrachte Argumente gegen die Widerspruchsregelung
Gegen die Einführung der Widerspruchsregelung wurden verschiedene Argumente vorgebracht. Sie alle werden hier einer nüchtern sachlichen Analyse unterzogen: G = Gruppen / K = kirchliche / P = politische / s = sonstige Verfasser der Argumente
- K-P Das Vertrauen müsse zurückgewonnen werden.[1][2]
Der Vertrauensverlust ist ein Märchen, das sich hartnäckig hält. Ein Vertauensverlust würde sich nach der Feststellung des Hirntods in sinkenden Prozentzahlen der Zustimmung zur Organspende zeigen. Die Zustimmung zeigt sich ab 2011 jedoch so: 2011 (66,7%), 2012 (66,0%), 2013 (63,9%), 2014 (68,8%), 2015 (70,3), 2016 (68,7%), 2017 (73,3%), 2018 (67,4%), 2019 (75,9%). Vor den 2012 bekannt gewordenen Skandalen lag die Zustimmung bei 66,x%. Diese sank 2013 auf 63,9% ab, stieg dann jedoch auf 67,x bis 75,x% an. Damit ist belegt, dass die Zustimmung zur Organspende zwar im Jahr 2013 eingebrochen ist, dass es ab 2014 durchgehend eine höhere Zustimmung zur Organspende gab. - K Organspende würde den Sterbeprozess verändern.[1]
Organspende verändert nicht den Sterbeprozess, da Hirntote bereits tot sind und damit der Sterbeprozess abgeschlossen ist. Siehe: Individualtod, Todesverständnis, Todeszeichen, Todesfeststellung und Todesbescheinigung[Anm. 1] - K Es soll eine persönliche Entscheidung sein.[1]
Im Jahr 2019 lag bei 18,8% der Hirntoten eine schriftliche Willenserklärung vor, bei 24,8% eine mündliche Willenserklärung. Bei 44,2% haben die Hinterbliebenen der Organentnahme zugestimmt, bei 12,2% haben die Hinterbliebenen entschieden. Es haben 3,1% der Hirntoten der Organentnahme schriftlich widersprochen, 28,7% haben mündlich widersprochen. Bei 26,6% haben die Hinterbliebenen den Widerspruch vermutet, bei 41,6% haben die Hinterbliebenen entschieden. - Damit ist eindeutig belegt, dass in der Mehrheit der Fälle nicht die Hirntoten zu ihrer Lebzeit sich für oder gegen die Organentnahme entschieden haben. In den meisten Fällen haben die Hinterbliebenen entschieden. Die WSR würde dies schlagartig ändern. - K Die persönliche Entscheidung, Organe zu spenden, sollte jederzeit in größtmöglicher Freiheit erfolgen.[1]
Diese "größtmögliche Freiheit" hat jeder auch bei eingeführter WSR. Unabhängig von der Regelung endet diese "persönliche Entscheidung" mit dem Eintritt des Todes. Die zum Hirntod führende Ursache erfolgt meist plötzlich und ohne Vorwarnung. Ab diesem Zeitpunkt ist der Mensch nicht mehr handlungsfähig. Daher ist es so wichtig, dass die "persönliche Entscheidung" vorher getroffen wird. Nach der zum Hirntod führenden Ursache ist der Mensch handlungsunfähig. - K Die persönliche Entscheidung, Organe zu spenden, sollte ohne Druck getroffen werden können.[1]
Dass "ohne Druck" entschieden wird, ist unabhängig von der Regelung. Die zum Hirntod führende Ursache erfolgt meist plötzlich und ohne Vorwarnung. Ab diesem Zeitpunkt ist der Mensch nicht mehr handlungsfähig. Daher ist die zum Hirntod führende Ursache der Druck machende Faktor. Die WSR würde dies sehr deutlich vermitteln. Denn wenn der Hirntod festgestellt ist, kann diese Frage nicht mehr verschoben werden. Sie steht jetzt an und muss jetzt entschieden werden. - K Das Nachbesserungspotential im Rahmen der derzeit geltenden gesetzlichen Regelung der Organspende sollte zuerst voll ausgeschöpft werden.[1]
Bereits im Jahr 2019 wurden verschiedene Verbesserungen eingeführt, die die Zahlen der Organspender heben sollten. Bis Anfang 2023 ist hiervon keine spürbare Verbesserung feststellbar. - K "Die Angehörigen erwachsener Verstorbener sollen kein eigenes Entscheidungsrecht haben."[3]
Seit Einführung des TPG im Jahr 1997 haben die Hinterbliebenen kein eigenes Entscheidungsrecht. § 4 Abs. 1 TPG legt die Reihenfolge fest:- Liegt eine schriftliche Willenserklärung des Hirntoten vor, ist danach zu verfahren.
- Liegt diese nicht vor, werden die Hinterbliebenen gefragt, ob ihnen eine mündliche Willenserklärung des Hirntoten bekannt ist, nach der verfahren werden kann.
- Liegt diese nicht vor, werden die Hinterbliebenen gefragt, was sie meinen, was der Wille des Hirntoten sein dürfte, nach der verfahren werden könnte.
- Haben die Hinterbliebenen auch keine Ahnung, was der Wille des Hirntoten sein könnte, entscheiden die Hinterbliebenen.
Es wird somit immer versucht, nach dem schriftlichen, mündlichen oder mutmaßlichen Willen des Hirntoten zu verfahren. Die Hinterbliebenen haben erst dann ein Entscheidungsrecht, wenn der primäre Weg nicht gangbar ist. Dies spiegelt sich in den Jahresberichten der DSO wider.
- K "Das Recht, sich nicht entscheiden zu müssen"[3]
Wenn der Hirntod eingetreten ist, gibt es kein "ich kann mich nicht entscheiden", sondern nur ein "Ja" oder "Nein" zur Frage der Organspende. Dann aber kann sich der Betroffene selbst nicht mehr entscheiden. Daher ist es wichtig, dass man sich vorher entscheidet, zu Lebzeiten. - K "Im Übrigen sind in der gesamten Debatte die Belange trauernder und zutiefst verunsicherter Angehöriger von potenziellen Organspendern stärker zu beachten"[3]
Damit nach der Feststellung die Hinterbliebenen nicht "zutiefst verunsichert", sondern entlastet werden, soll die WSR eingeführt werden.
Anhang
Anmerkungen
- ↑ In der "Gemeinsamen Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin – und des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union" heißt es an dieser Stelle weiter: "Dazu gehört auch offen darüber zu sprechen, dass die Organspende den Sterbeprozess verändert, was für nicht wenige Menschen mit erheblichen Unsicherheiten und Ängsten einhergeht. Ziel der Aufklärung und des öffentlichen Diskurses sollte sein, Menschen diese Unsicherheiten und Ängste durch Gesprächsangebote und umfassende Informationen zu nehmen und sie so zu einer Entscheidung zu befähigen."
Diese gemeinsame Stellungnahme vermittelt zum Hirntod keine Informationen, sondern schürt mit seiner Anspielung, dass Organspende den Sterbeprozess verändere, die Unsicherheit und die Ängste. Damit handeln die Verfasser konntraproduktiv.