WSR-Abstimmung

Aus Organspende-Wiki
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Die Abstimmung

Bei nüchterner Betrachtung der Sachlage ging es in der Abstimmung am 16.01.2020 im Deutschen Bundestag weder um die Patienten, die auf ein Spenderorgan warten, noch um Organspende überhaupt. Es ging schlichtweg um Politik: Man gönnte Jens Spahn nicht auch noch diesen Erfolg. Vielleicht nahm man es ihm (aus den eigenen Reihen) auch übel, dass er nach der Kanzlerschaft griff.[Anm. 1]

Die Mehrheit[Anm. 2] beschloss die Erklärungsregelung. Sie sieht vor,

  • dass ein zentrales Spenderregister eingeführt wird und
  • dass jeder bei der Beantragung eines Ausweises auf dem Rathaus um seine Entscheidung gefragt wird.

Das Spenderregister startete aus verschiedenen Gründen im März 2024.

Die Befragung auf dem Rathaus funktioniert in der Theorie, aber nicht in der Praxis:

  1. Da der Personalausweis nur alle 10 Jahre erneuert werden muss oder bei einem Umzug geändert werden muss, dauert es rund 10 Jahre, bis alle Erwachsene gefragt werden konnten. Die Organe werden aber bereits jetzt benötigt.
  2. Was soll geschehen, wenn der Erwachsene angibt, dass er sich noch nicht entscheiden kann? Bekommt er dann keinen Ausweis? Wird er in 10 Jahren wieder befragt? Wird er irgendwie zur Entscheidung gezwungen? Das alles wurde nicht thematisiert, war jedoch vorauszusehen.
  3. "Regelmäßig würden sich daher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bürgerämter gegenüber ihren Vorgesetzten darüber äußern, dass es ihnen „unangenehm“ sei, Bürger ungefragt mit dem Thema zu konfrontieren."[1] Dabei wurde im Frankfurter Bürgeramt den Leuten nur Infomaterial zur Organspende ausgehändigt. Welche Reaktionen werden erst zu erwarten sein, wenn die Erwachsenen nach ihrer Entscheidung zur Organspende gefragt werden? Es ist massenweise mit "Ich habe mich noch nicht entschieden" bis "Das geht sie gar nichts an" zu rechnen.

Bei so viel Realtitätsferne der meisten Bundestagsabgeordneten - die Mehrheit stimmte für die Erklärungsregelung - stellt sich diese Frage:

Was würde es kosten, wenn wir die Bundestagsabgeordneten durch Fachleute ersetzen würden? (unbekannt)

Vielleicht würde es schon genügen, wenn wir Menschen in die Politik wählen würden, die einen gesunden Menschenverstand besitzen.[Anm. 3]

Diese Abstimmung machte deutlich, was "Politik" auch sein kann: tödlich.[Anm. 4]

Das Volk und seine Vertreter

Eine Studie untersuchte den Willen der Parteimitglieder zur Einführung der WSR und die Abstimmung im Deutschen Bundestag am 16.01.2020. Der Vergleich der Parteimitglieder und der Bundestagsabgeordneten gegen die WSR ist ernüchternd:[2]

Fraktionen Parteimitglieder
gegen die WSR
Abgeordnete
gegen die WSR
Protagonisten
gegen die WSR
CDU/CSU 44 % 41 %
SPD 41 % 39 % Christine Lembrecht
Ulla Schmidt
Hilde Mattheis
AfD 53 % 92 % ("Vertrauensregelung")
FDP 27 % 74 % Christian Lindner
DIE LINKE 45 % 55 % Katja Kipping
Die Grünen 28 % 90 % Annalena Baerbock

Bei den Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU und der SPD spiegelt sich die Meinung der Parteimitglieder in den Zahlen der Bundestagsabgeordneten. Bei den übrigen Parteien stimmte ein deutlich größerer Anteil der Bundestagsabgeordneten gegen die WSR als die Mitglieder der Partei. Bei der AfD waren es "nur" doppelt so viele, bei der FDP waren es 2,7 mal mehr und bei den GRÜNEN sind es sogar 3,2 mal mehr.

Dies gibt zu denken, wie das Volk von seinen Abgeordneten "vertreten" bzw. ignoriert wird.
Dies zeigt, wie der Wille des Volkes von Abgeordneten einiger Parteien mit Füßen getreten wird.


Anhang

Anmerkungen

  1. Mit fadenscheinigen Argumenten - so wie die beiden großen Kirchen - hat man sich gegen die Einführung der WSR gestemmt und gegen den mehrheitlichen Willen des Volkes entschieden. Dabei werden die Abgeordneten zuweilen auch "Volksvertreter" genannt. Bei dieser Abstimmung haben sie jedenfalls nicht das Volk vertreten. Vielleicht kam bei einzelnen auch Profilierungssucht hinzu.
  2. 432 für, 200 dagegen, 37 Enthaltungen. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw03-de-transplantationsgesetz-674682 Zugriff am 06.08.2024.
  3. Das Versagen der Erklärungsregelung war bei sachlicher Betrachtung zu erwarten, siehe oben die Nummern 1-3. Die Entscheidung zur Erklärungsregelung war somit ein Versagen mit Ansage, siehe:
  4. Für einige Wartelistenpatienten war diese Entscheidung tödlich.

Einzelnachweise

  1. https://www.fnp.de/frankfurt/organspender-verzweifelt-gesucht-92767298.html Zugriff am 03.03.2024.
  2. https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung?id=656
    Die Zahlen der Parteimitglieder liegen mir als Word-Datei ohne Quellenangabe vor. Im Internet konnte ich diese Angaben nicht finden.