EK Bayern
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
Schriften
leben und sterben im Herrn (2014)
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern brachte 2014 das Heft "leben und sterben im Herrn. Handreichung zur Organspende und Organtransplantation der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern" heraus.[1] Darin heißt es:
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Um den Hirntod diagnostizieren und von anderen Erscheinungsbildern (z.B. Locked-
in-Syndrom, oder apallisches Syndrom) unterscheiden zu können, müssen vor der Hirntoddiagnostik bestimmte Medikamente abgesetzt und andere Ursachen (wie Unterkühlung, Koma, Vergiftung) ausgeschlossen werden. (30) |
Die Voraussetzungen (u.a. abgesetzte Medikamente, keine Unterkühlung, keine Vergiftung) müssen als 1. Säule der HTD vor Beginn der Überberprüfung der Klinischen Symptome (2. Säule der HTD) gegeben sein, weil jeder dieser Punkte Symptome von Hirntod vortäuschen kann. Ein tiefes Koma ist eine Bedingung der Klinischen Symptome. - Beim apallischen Syndrom atmet der Patient meist selbständig und ist damit eindeutig kein Hirntoter. Das Locked-in-Syndrom wird spätestens bei Durchführung der HTD als solches erkannt.
Kritiker des Hirntodkonzeptes argumentieren gegen dieses Vorgehen, dass die
Absetzung schmerzstillender (Analgetika) oder bewusstseinsmindernder (Sedativa) Mittel dem Patienten, der ja noch nicht tot diagnostiziert worden ist, Schaden bzw. Schmerzen zufügen könnte. (31) |
Die Medikamente werden abgesetzt, wenn ein begründeter Verdacht für Hirntod vorliegt, u.a. lichtstarre, weite Pupillen und kein Würgereflex beim Absaugen. Sollte anhand von Krämpfen oder steigendem Blutdruck oder Puls festgestellt werden, dass der Patient leidet, werden diese Medikament sofort wieder gegeben. Diese o.g. Sorge ist damit unberechtigt.
Im Rahmen der Hirntoddiagnostik und nachdem Schmerzbewusstsein und andere
Reflexe als Zeichen von Vitalität ausgeschlossen worden sind, wird außerdem ein Apnoetest durchgeführt, bei dem die Sauerstoffsättigung im Blut kontrolliert herabgesetzt wird, um die reflexartige Schnappatmung herbeizuführen. (31) |
Es wird nicht die Sauerstoffsättigung kontrolliert herabgesetzt, sondern der Anstieg des CO2-Gehaltes im Blut ist entscheidend. Bis zu 60 mm Hg CO2 darf kein Atemreflex erfolgen. Die Sauerstoffsättigung versucht man währenddessen weiterhin möglichst hoch zu halten.[Anm. 1]
Kritiker wenden hier jedoch ein, dass durch den Test der Zustand erst hergestellt werde, der eigentlich als bereits bestehend untersucht werden soll. (31) |
Durch falsche Annahmen (siehe oben: Sauerstoffsättigung) entstehen diese Ängste und Vorbehalte. - Beim Apnoe-Test lässt man nach der Trennung des Hirntoten vom Beatmungsgerät Sauerstoff in die Lunge einströmen. Dadurch fällt der Sauerstsoffgehalt langsam ab, während durch die fehlende Atmung das CO2 rasch ansteigt.
Vielmehr weist ein hirntoter Mensch eine normale Körpertemperatur auf, er atmet,
der Körper schwitzt und scheidet aus – alles körperliche Anzeichen, die unserem landläufigen Todesverständnis widersprechen. (31) |
Hirntote atmen nicht, sie werden künstlich beatmet. Eigenatmung und Hirntod schließen sich gegenseitig aus. Siehe auch: Apnoe-Test und Leben der Hirntoten
Denn die koordinative Gesamtfunktion des Gehirns, welche die Atmung und damit auch den Herzschlag stimuliert, ist nicht mehr vorhanden. (32) |
Es ist nicht nur die Eigenatmung ausgefallen, sondern auch die Homöostase.
Der Hirntod ist eine medizinische Diagnose, die rechtlich erlaubt, einen Menschen für
tot zu erklären. (32) |
Siehe: Todesfeststellung und Todeserklärung
Das ist wichtig, damit Ärzte keine Körperverletzung mit Todesfolge begehen, wenn sie einem Organspender Organe entnehmen. (32) |
Das ist richtig, aber in den meisten Fällen erfolgt nach Feststellung des Hirntodes Therapieende. Hierfür gilt Gleiches.
{{Zitat2|Es gibt weltweit verschiedene Hirntoddiagnostiken, auch sind die Kriterien für den Hirntod unterschiedlich. (32) Was hat das mit der "Kritik an der Sicherheit der Hirntoddiagnostik" zu tun? Deutschland hat einer der strengsten Richtlinie, vielleicht sogar weltweit die strengste. Das sollte erwähnt werden.
Diese Unsicherheit hat nun auch die Debatten in Deutschland erreicht, wo im vergangenen Jahr der Deutsche Ethikrat eine ausführliche öffentliche Debatte zu diesem Thema veranstaltet hat – ohne dass deswegen hinreichend Klarheit herrschen würde. (33) |
Der DER übe keine "Kritik an der Sicherheit der Hirntoddiagnostik" - unter dieser Überschrift ist dies aufgeführt -, sondern daran, ob der Hirntod als Tod des Menschen angesehen werden kann, und dies auch nur von 7 Mitglieder des DER, für 18 Mitglieder sind Hirntote Tote.
Auch wenn die Medizin als wissenschaftliche Disziplin nicht allein in der Lage ist, umfassend auszusagen, was der Tod des Menschen ist, so haben wir ihr in Bezug auf Krankheit, Leben und Tod doch weitreichende Kompetenzen eingeräumt. (33) |
Es gibt keine wissenschaftliche Disziplin, die die Unterscheidung von Leben und Tod eines Menschen besser beurteilen kann als die Medizin.
Das Problem in der aktuellen Diskussion besteht darin, dass praktische und theoretische Zweifel an der Tragfähigkeit der Hirntoddiagnostik geäußert werden, und daran, ob der Hirntod wirklich als Tod des (ganzen) Menschen interpretiert werden kann. (33) |
Siehe: Sicherheit und Todesverständnis
Sofern hier hinreichend starke Zweifel bestünden, würde eine Gesellschaft die Praxis der Organtransplantation nicht mehr aufrecht erhalten können. Entweder müsste man auf die Organtransplantation verzichten – und damit vielen Menschen eine unter Umständen lebensrettende Therapieoption vorenthalten – oder man müsste die Kriterien für die Organentnahme auf andere Annahmen als den Hirntod gründen. (33) |
Was tut eine solche Aussage in einer Handreichung für das Volk? Worin besteht die Hilfestellung?
Hier gibt es gegenwärtig entsprechende Überlegungen, die Organentnahme sehr
rasch nach dem Herzstillstand durchzuführen. So sicher einerseits der Herzstillstand als Todeskriterium auch für den medizinischen Laien erscheint, handelt man sich auf diesem Wege andere Probleme ein. (33) |
Siehe: DCD
Insgesamt kann man sagen, dass bezüglich des Hirntods, wie er in Deutschland durch die vorgeschriebenen Maßnahmen diagnostiziert wird, ein medizinisch breiter Konsens darin besteht, dass in solcher Weise hirntot diagnostizierte Menschen nicht mehr in ein „normales” Leben zurückkehren können, sondern nach Abschalten der Herz- und Kreislauf unterstützenden Maßnahmen sehr bald einen Herzstillstand und damit den Tod erleiden, der im Alltagsverständnis vorherrscht. (34) |
Ein breiter Konsens bedeutet aber, dass es auch abweichende Meinungen gibt und zwar sowohl in der Medizin wie auch in den mit dem Thema befassten Geisteswissenschaften und schließlich auch in der Kirche. (34) |
Hier besteht kein "breiter Konsens". Dieser Aussage stimmen sogar die Kritiker des Hirntodkonzeptes zu.
{{Zitat2|Die im internationalen Vergleich sehr strengen Kriterien zur Hirntodfeststellung in Deutschland liefern ein sehr hohes Maß an Wahrscheinlichkeit für den unwiederbringlichen Verlust aller Hirnfunktionen und damit für den Sterbeprozess, sobald die Beatmung eingestellt wird. (34) Es ist nicht nur "ein sehr hohes Maß an Wahrscheinlichkeit", sondern eine absolute Sicherheit.
Aber auch diese sehr hohe Wahrscheinlichkeit ist keine absolute Sicherheit, die es im Rahmen wissenschaftlicher Aussagen nur selten gibt. (34) |
Auch wenn bisher alle Äpfel vom Baum zum Boden gefallen sind, ist dies keine absolute Sicherheit, dass nicht irgendwann ein Apfel einen anderen Weg nimmt.
{{Zitat2|Derzeit muss man konstatieren, dass die Diskussionslage in allen Disziplinen eher uneindeutig geworden ist – das betrifft sowohl die medizinische, die medizinethische, die anthropologische wie auch die theologische Diskussion. (34) Das mag für die ev. Kirche in Deutschland gelten, aber seit den im Text o.g. 1990-er Jahren hat sich die Medizin zunehmend darauf verständigt, dass der Hirntod der Tod des Menschen bedeutet. Ebenso sieht es auch die kath. Kirche. Siehe: Todesverständis
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Anhang
Anmerkungen
- ↑ In der 4. Fortschreibung der HTD (2015) heißt es auf Seite 6: "Die Durchführung des Apnoe-Tests muss an die klinische Ausgangssituation (Oxygenierung, Kreislauf) angepasst und unter kontinuierlicher pulsoxymetrischer Kontrolle der Sauerstoff-Sättigung und des arteriellen Blutdrucks erfolgen. Voraussetzungen sind die Präoxygenierung mit 100 % Sauerstoff und ein Ausgangs-paCO2 im Normbereich von 35 mmHg bis 45 mmHg (entspricht 4,7 kPa bis 6 kPa, Temperatur-korrigierte Messung). Vorgehen bei einem Ausgangs-paCO2 über 45 mmHg: siehe unten.
Die Hyperkapnie muss durch akute Hypoventilation bis zum Erreichen eines paCO2 von mindestens 60 mmHg (entspricht 8 kPa, Temperaturkorrigierte Messung) unter ständiger Kontrolle, ob Atemexkursionen bzw. spontane Atemanstrengungen des Patienten erkannt werden können, herbeigeführt werden. Das Fehlen des Atemantriebs muss im Zweifelsfall bei Diskonnektion des Patienten vom Respirator sicher beurteilt werden, da Apnoe-Programme oder das Triggern des Respirators durch pulssynchrone Luftbewegungen im Tubus fälschlicherweise einen Atemantrieb suggerieren können. Eine hinreichende Oxygenierung ist durch intratracheale O2-Insufflation (apnoische Oxygenation), durch niederfrequente manuelle Beatmung mit reinem Sauerstoff (z. B. zwei Atemzüge/Minute) oder reduzierte maschinelle Beatmung mit reinem Sauerstoff sicherzustellen.
Für Patienten, deren Eigenatmung chronisch an einen paCO2 von mehr als 45 mmHg (entspricht 6 kPa, Temperatur-korrigierte Messung) adaptiert ist, gibt es keine allgemein anerkannten Werte des paCO2 für den Apnoe-Test. In diesen Fällen ist der Funktionsausfall des Hirnstamms zusätzlich durch den Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes zu belegen (siehe 3.2.3.). Dies gilt auch, wenn der Apnoe-Test aus anderen Ursachen (zum Beispiel Thorax-Verletzungen oder Gasaustauschstörung) nicht durchgeführt werden kann oder bei einem Ausgangs-paCO2 über 45 mmHg (entspricht 6 kPa, Temperatur-korrigierte Messung)."
Einzelnachweise
- ↑ Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern: leben und sterben im Herrn. München 2014. Nach: https://www.bayern-evangelisch.de/downloads/elkb_Handreichung_Organspende.pdf Zugriff am 02.04.2020.