Chronik/HTD
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Die HTD fiel weder 1968 vom Himmel, noch blieb sie auf dem Stand des 20. Jh. Sie entwickelte sich ständig fort, so wie auch die Erkenntnisse in der Medizin ständig voranschritten.
Geschichtlicher Überblick
Der Hirntod und sein Nachweis wurden zunächst in Frankreich beschrieben, wenn auch noch unter anderen Bezeichnungen:
- 1959 - Pierre Wertheimer veröffentlichte den Artikel "sur la mort du système nerveux"
Pierre Wertheimer und seine Arbeitsgruppe veröffentlichten den Bericht von 4 Fällen von Hirntod unter der Überschrift "sur la mort du système nerveux" (Der Tod des Nervensystems).[1][Anm. 1] - 1959 – Hirntod wurde als "Coma depassé" klar beschrieben
Pierre Mollaret (1898-1987) und Maurice Goulon (1919-2008) beschrieben 1959 erstmals unter dem Begriff "Coma depassé" (jenseits/unterhalb des Komas, "überschrittenes Koma" und "Ultra-Koma". Sie haben dies an 23 Hirntoten festgestellt.[2] - 1960 - Beendigung einer künstlichen Beatmung
Pierre Wertheimer, Jacques de Rougemont, Michel Jouvet und Jacques Descotes veröffentlichten in einem Artikel, dass sie eine künstliche Beatmung beendet haben. Als Kriterien für ihr Handeln nannten sie: Nachweis der völligen Areflexie, keine Eigenatmung, das EEG weist eine Nulllinie auf und eine angiographische Darstellung der Hirndurchblutung.[3] - 1963 - Erste Organtransplantation aus einem Hirntoten
Der 29-jährige Guy P. J. Alexandre (*1934) stellte nach den von Pierre Mollaret und Maurice Goulon angegebenen Kriterien den Hirntod fest. Nach über einer Stunde lagen noch immer vor:[4]- beidseits weite, lichtstarre Pupillen
- komplette Areflexie
- fehlender Atemantrieb, auch nach 5 Minuten Trennung vom Respirator
- katecholaminpflichtiger Blutdruckabfall auf Werte unter 80 mmHg systolisch
- hirnelektrische Stille.
Danach entnahm ihm Guy Alexandre weltweit die erste Niere auf der Grudlage einer Hirntodbestimmung.
- 1964 – erstes einfaches Diagnoseschema
Auf dem Deutschen Chirurgenkongress wurde eine erste einfache HTD verabschiedet.[5]
http://link.springer.com/article/10.1007/BF01576512
Geschichtliche Entwicklung der HTD
Deutschland
Protokoll (1997)
Name_____________________________Vorname_____________________ geb.:_______________ Alter:_________ Klinik:__________________________________________________________________________________________ |
Am Ende der Hirntoddiagnostik müssen 4 dieser Protokolle vorliegen, von jedem der beiden untersuchenden Ärzte zwei, das Zweite muss bei primärer Hirnschädigung nach mind. 12 Stunden wiederholt worden sein, bei sekundärer Hirnschädigung nach mind. 72 Stunden wiederholt worden sein (bei Kindern unter 2 Jahren 24 bzw. 72 Stunden).
Kriterien an die untersuchenden Ärzte (1997)
Die fachliche Qualifikation an die untersuchenden Ärzte, die den Hirntod feststellen, wie folgt:
- Deutschland
- Für die Feststellung des Hirntods "sind jeweils durch zwei dafür qualifizierte Ärzte zu treffen, die den Organ- oder Gewebespender unabhängig voneinander untersucht haben." (§ 5 Abs. 1 TPG)
- "Die an den Untersuchungen nach Absatz 1 beteiligten Ärzte dürfen weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe oder Gewebe des Spenders beteiligt sein. Sie dürfen auch nicht Weisungen eines Arztes unterstehen, der an diesen Maßnahmen beteiligt ist." (§ 5 Abs. 2 TPG)
- "Die Erfüllung der Voraussetzungen (siehe 1.) und alle geforderten klinischen Symptome (siehe 2.) müssen übereinstimmend und unabhängig von zwei qualifizierten Ärzten (Anmerkung 5) festgestellt und dokumentiert werden (siehe Protokollbogen)." (Richtlinie zur Feststellung des Hirntods (1997))
- "Die beiden den Hirntod feststellenden und dokumentierenden Ärzte müssen gemäß den Anforderungen der „Richtlinien zum Inhalt der Weiterbildung“ über eine mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit schweren Hirnschädigungen verfügen." (Richtlinie zur Feststellung des Hirntods (1997), Anmerkung 5)
In Deutschland zeigen die Zitate für die fachliche Qualifikation an die untersuchenden Ärzte, dass großer Wert darauf gelegt wurde,
- dass es zwei gleichberechtigtes Ärzte sind (keine Über- bzw. Unterordnung),
- dass keiner der Ärzte an der Organentnahme oder Organtransplantation beteiligt ist,
- dass keiner der Ärzte der Weisung einem an der Organentnahme oder Organtransplantation beteiligten Ärzten untersteht,
- dass sie über eine mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit schweren Hirnschädigung verfügen müssen.
Nachweis der Irreversibilität
Der Nachweis der Irreversibilität baut auf die 2. klinische Diagnostik auf. |
Der Nachweis der Irreversibilität belegt, dass der festgestellte Zustand (keine zerebralen Reflexe) nicht nur ein vorübergehender Zustand ist, sondern ein dauerhafter. Er ist "nicht umkehrbar", wie das Lateinische "irreversibel" zu übersetzen ist. - Dieser Nachweis wird erbracht durch eine zweite klinische Diagnostik:
- bei primärer Hirnschädigung
- nach 12 Stunden: Kinder über 2 Jahre und Erwachsene
- nach 24 Stunden: Kinder unter 2 Jahre
- nach 72 Stunden: Neugeborene
- bei sekundärer Hirnschädigung: nach 72 Stunden
Diese Beobachtungszeit kann nur durch apparative Diagnostik verkürzt werden. In Deutschland sind hierbei zugelassen: Null-Linien-EEG (mind. 30 min), frühe akustisch evozierte Potentiale (FAEP), somatosensibel evozierten Potentiale (SEP), Dopplersonographie, Perfusionsszintigraphie und Zerebrale Angiographie.
Die apparative Diagnostik ersetzt nicht die 2. klinische Diagnostik, sondern verkürzt nur die Beobachtungszeit. |
Die gesetzten Fristen der Beobachtungszeit bzw. kürzerer Zeit mit entsprechender apparativen Diagnostik gibt der Hirntoddiagnostik die letzte Sicherheit, dass hier tatsächlich Hirntod vorliegt.
Bei Tierversuchen zeigte sich eine Wiederbelebungszeit des Gehirns von kleiner 60 Minuten.[6] Der Abstand zwischen der 1. und 2. klinischen Diagnostik liegt mit mind. 12 Stunden um ein Vielfaches über diesem Zeitraum. Daher kann mit absoluter Sicherheit gesagt werden, dass sich dieses Gehirn von diesem Zustand nicht wieder erholen wird. Der festgestellte Zustand (Hirntod) ist damit eindeutig irreversibel.
Alle für die Hirntoddiagnostik durchgeführten Untersuchungen müssen mit ihren Ergebnissen im "Protokoll zur Feststellung des Hirntodes" eingetragen werden.
Zum Abschluss der Hirntoddiagnostik liegen somit 4 Protokolle vor: von den beiden untersuchenden Ärzten je zwei Protokolle, jeweils von der 1. und 2. klinischen Diagnostik.
Sicherheit der Hirntoddiagnostik (1997)
Um Fehlmessungen auszuschließen, ist in den Richtlinien der [[BÄK]] detailliert vorgschrieben, wie diese apparative Diagnostik durchzuführen ist. Auch defekte Untersuchungsgeräte werden damit ausgeschlossen. - So ist z.B. für die Durchführung eines Nullinien-EEGs vorgeschrieben:[Anm. 2]
- Es muss eine Nulllinie von mind. 30 min sein, einwandfrei auswertbar.
- Die Gehirnströme müssen durch Klebe- oder Nadelekektroden abgeleitet werden.
- Die Elektroden sind nach dem 10:20-System anzuordnen.
- Der Elektrodenübergangswiderstand soll zwischen 1 und 10 Kiloohm betragen.
- Die Filtereinstellung hat zwischen 0,53 und 70 Herz zu sein.
- Die Ableitung soll mit einer Verstärkereinstellung von 5 bzw. 7 Mikrovolt begonnen werden.
- Das Nulllinien-EEG soll mit einer Einstellung von weniger als 2 Mikrovolt durchgeführt werden.
- Der Rauschpegel des Geräts soll mind. 2 Mikrovolt abgrenzen können.
- Es ist ein EGG-Gerät mit mind. 8 Kanälen zu verwenden.
- Zu Beginn der Untersuchung ist die Funktionsfähigkeit jedes einzelnen Kanals durch Auslösen von Artefakte (Störungen, z.B. durch Berühren der Elektroden) zu überprüfen.
Für alle anderen apparativen Diagnostiken zur Feststellung des Hirntods sind ähnlich genau die einzelnen Parameter festgelegt. Dies garantiert die Sicherheit der Diagnostik.
Österreich
Schweiz
Anhang
Anmerkungen
- ↑ Wertheimer P., Jouvet M., Descotes J.: À propos du diagnostic de la mort du système nerveux dans les comas avec arrět circulatoire. Presse méd. 67 (1959), 87. (http://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/02841851720130P142 Zugriff am 1.4.2017.)
- ↑ Die medizin-technische Erklärung wird auf der Seite der Hirntoddiagnostik gegeben. Hier geht es nur um einen kurzen Überblick, der das Ausmaß der Vorschriften aufzeigen soll, der klar machen soll, dass bei der Hirntoddiagnostik nicht irgendwie vage gearbeitet wird, sondern sehr gewissenhaft und genau - damit auch sehr sicher.
Einzelnachweise
- ↑ Dag Moskopp: Hirntod, 75.
- ↑ S. Robert Snodgrass: The Evolution of Brain Death. In: Pediatric Neurology 51 (2014), 478.
- ↑ Dag Moskopp: Hirntod, 75f.
- Wertheimer P., Jouvet M., Descotes J., De Rougemont J., Descotes J., Jouvet M.: Données angiographiques relatives à la mort de l'encéphale au cours des comas avec arrět respiratoire. Lyon chir. 56 (1960), 641. (http://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/02841851720130P142 Zugriff am 1.4.2017.)
- ↑ Dag Moskopp: HIrntod, 77.
- ↑ http://www.aerzteblatt.de/archiv/6339/Bekanntmachungen-Stellungnahme-des-Wissenschaftlichen-Beirates-der-Bundesaerztekammer-Kriterien-des-Hirntodes-Entscheidungshilfen-zur-Feststellung-des-Hirntodes Zugriff am 3.2.2015.
- ↑ Bettina Pfausler: Der Hirntod. Im Internet unter: http://members.aon.at/~intensiv-innsbruck/education/hirntod_pfausler.htm Zugriff am 29.3.2014.