Neuronale Verletzungen
Neuronale Verletzungen nach Hirnregion gegliedert (2009)
Peter Dorner (2009)
Peter Dorner beschrieb im Jahr 2009 in seiner medizinischen Dissertation "Wann ist der Mensch tot? Medizinische, ethische und rechtliche Aspekte" im Kapitel "5. Neuroanatomische Grundlagen" einige neurologische Ausfälle nach den Hirnregionen:[1]
- Verlängertes Mark und Brücke
Das verlängerte Mark (Medulla oblongata) mit den lateral anschließend die Oliven sowie der Brücke (Pons) ist sehr komplex. Unter anderem liegen dort Hirnnervenkerne der Nerven III-XII. "Dieser Bereich des ZNS ist desweiteren eine wichtige Umschaltstelle zwischen Großhirn, Kleinhirn und der Peripherie und ist somit für den neuronalen Schaltkreis von großer Wichtigkeit. [8] - Mittelhirn
"Üblicherweise wird die Medulla oblongata, der Pons und das Mittelhirn (Mesencephalon) gemeinsam als der Hirnstamm bezeichnet, zum Teil werden auch Thalamus und Hypothalamus noch dazugerechnet." Im Mittelhirn befinden sich wichtige Leitungszentren der Seh- und Hörbahn. Desweiteren gibt es zwei große Kernkomplexe, der Nucleus ruber und die Substantia nigra, welche motorische Zentren darstellen. Das bekannte Parkinson-Syndrom wird beispielsweise durch einen Ausfall der Substantia nigra verursacht. Die Formatio reticularis besteht aus einem Netz aus Nervenkernen, die für lebensnotwendige Funktionen verantwortlich sind, wie zum Beispiel das Atemzentrum, das Kreislaufzentrum, das Brechzentrum oder das Wach-Schlaf-Zentrum. [9] - Kleinhirn
Das Kleinhirn "ist das wichtigste Zentrum zur Regulation der Motorik, genauer gesagt der Stützmotorik, der Blickmotorik, der Zielmotorik sowie der Sprachmotorik." [9] - Zwischenhirn
Das Zwischenhirn besteht aus 4 große Bereiche, den Thalamus, Hypothalamus, Metathalamus und Epithalamus. [9-10]- Der Thalamus ist sozusagen die letzte Schaltstelle vor der Großhirnrinde (Kortex). Als "Tor zum Bewusstsein" ist er ein wichtiges Koordinationszentrum und letzte Instanz vor der Großhirnrinde.
- Der Hypothalamus stellt das oberste Zentrum des vegetativen und endokrinen Systems dar. Er steuert u.a. Kreislauf, Atmung, Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme.
- Der Metathalamus wird häufig auch zum Thalamus gerechnet. Er steht mit der Hörrinde in Verbindung und sendet Impulse an die Sehrinde.
- Der Epithalamus besteht hauptsächlich aus der Epiphyse (Zirbeldrüse), welche Melatonin produziert.
- Das Großhirn besitzt eine linke und eine rechte Hälfte, die über den "Balken" (Corpus callosum) verbunden sind. Es besteht aus einer äußeren grauen Substanz, der Hirnrinde, in der die Nervenzellen liegen, und einer inneren weißen Substanz, dem Hirnmark, in der sich die Nervenfasern mit ihren Markscheiden befinden. - Das Großhirn ist in mehrere Lappen unterteilt, dem Frontal-, Parietal-, Temporal- und Okzipitallappen. Die Oberfläche des Hirns wird durch zahlreiche Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci) gebildet, welche einer Oberflächenvergrößerung dienen. Als Basalganglien werden Kerne bezeichnet, die sich im Marklager befinden und denen eine zentrale Rolle bei der Regulation der Motorik zukommt (Nucleus caudatus, Putamen, Pallidum, Nucleus subthalamicus, Substantia nigra (Mittelhirn)). Das limbische System ist für unsere Emotionen, für unseren Antrieb, das Lernen und die Motivation entscheidend.
- Frontallappen
Im Frontallappen liegt eine für unsere Motorik sehr wichtige Region, der Gyrus praecentralis, welcher von dem davorliegenden prämotorischen Kortex unterstützt wird. Er fungiert als Ursprungsort für die meisten unserer motorischen Bahnen. Schädigungen desselbigen führen zu distalen Paresen. Im Gyrus frontalis inferior ist die sogenannte Broca-Region, unser motorisches Sprachzentrum. Dieses ist für Wortlaut und Satzbau verantwortlich, bei einem Ausfall kommt es zur motorischen Aphasie (Sprache verlangsamt, Sätze verkürzt). Der präfrontale Kortex ist für höhere geistige und psychische Prozesse verantwortlich. Schäden in diesem Bereich können zu einer Persönlichkeitsveränderung führen. [11] - Parietallappen
Im Parietallappen endet ein Großteil unserer sensiblen Bahnen. Dortige Ausfälle führen zu Störungen der Wahrnehmung von Berührungs-, Wärme-, Temperatur-, Schmerz- und Tastreizen. Ein weiteres Areal der Gyrus angularis, ist für Lesen und Schreiben zuständig, ein anderes Arealfür unsere räumliche Wahrnehmung und Orientierung. [11]] - Temporallappen
Im Temporallappen, in der primärem Hörrinde, enden die Hörbahnem und führt zu einer Bewusstwerdung von Tönen und Klängen. Lateral davon liegt die Wernicke-Region, unser sensorisches Sprachzentrum.
- Frontallappen
Bei einer Störung in diesem Bereich ist das Sprachverständnis gestört, d.h. man kann zwar flüssig sprechen, aber es kommt zu sinnentleerten Sätzen. [12]
- Okzipitallappen]
Im Okzipitallappen befindet sich die primäre Sehrinde und stellt den letzten Abschnitt der Sehbahn dar, welche in der Retina im Auge beginnt. Störungen in der Sehrinde führen zu einer Blindheit in jenem Areal der Netzhaut, welches auf den zugehörenden Anteil der Sehrinde projiziert. [12]
- Okzipitallappen]
Aline Schöller (2015)
Aline Schöller beschreibt in ihrer medizinischen Dissertation "Der Hirntod als Todeskriterium und Voraussetzung für eine Organtransplantation: Die Entwicklung der ethischen Diskussion unter Berücksichtigung aktueller neurowissenschaftlicher Erkenntnisse" die Ausfälle bei neuronalen Verletzungen im Gehirn, entsprechend der Hirnregionen.[2]
- Hirnstamm (Truncus cerebri)
Im Hirnstamm sind Kerne für die Kontrolle der Atmung, des Kreislaufs und des Nies-, Husten- und Schluckreflexes, sowie die Steuerung von Übelkeit und Erbrechen (Brechzentrum). "Verletzungen im Bereich der Medulla führen meist zum Tode da lebenswichtige Grundfunktionen wie die Kreislauftätigkeit beeinträchtigt werden." [21] - Kleinhirn (Cerebellum)
Das Kleinhirn ist somit sehr wichtig für die Koordination und Feinabstimmung von Bewegungsabläufen, es stabilisiert Gang und Stand, beeinflusst den Muskeltonus und gewährleistet die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts. Bei Kleinhirnstörungen kann es daher, je nach befallenem Gebiet, z.B. zu unkoordiniertem Gang, Fallneigung oder Intensionstremor kommen." [22] - Thalamus
"Der Thalamus, bestehend aus mehreren Kerngebieten, ist die letzte Schaltstelle für nahezu alle sensiblen und sensorischen Informationen, die zum Großhirn gelangen und wird deshalb auch als Tor zum Bewusstsein bezeichnet. ... Über seine anteriore Kerngruppe hat der Thalamus Verbindungen zum limbischen System, das neben der Steuerung des Hypothalamus an Mechanismen beteiligt ist, die komplexe Verhaltensweisen sowie das Gefühlsleben und Gedächtnis des Menschen beeinflussen." [23]- Metathalamus
Der Metathalamus steht mit der Hörrinde und der Sehrinde in Verbindung [23] - Epithalamus
Der Epithalamus wirkt in der Epiphyse mit der Produktion von Melatonin am Entstehen des zirkadianen Rhythmus mit. [23] - Hypothalamus
Der Hypothalamus ist als Steuerzentrum dem autonomen und hormonellen System übergeordnet, zu seinen Aufgaben gehört beispielsweise die Aufrechterhaltung der Homöostase und die Steuerung von Parasympathikus und Sympathikus. Zum Hypothalamus gehören mehrere Bahnsysteme, die Teil des limbischen Systems sind, wie z.B. der Fornix. [23] - Hypophyse
Die Hypophyse vorgeschaltet, zum einen produziert er mit Oxytocin und Vasopressin Hormone, die in der Neurohypophyse (Hypophysenhinterlappen) freigesetzt werden, zum anderen gibt er Steuerhormone ab, die dann im Hypophysenvorderlappen zur Produktion von Effektorhormonen und glandotropen Hormonen führen. [23]
- Metathalamus
- Großhirn
Makroskopisch betrachtet setzt sich das Großhirn aus zwei symmetrischen Hemisphären, die über den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden sind, zusammen. Es besteht aus der Großhirnrinde (Cortex cerebri) und dem Großhirnmark. Als Basalganglien werden Kerne bezeichnet, die im Marklager liegen und vorwiegend aus neuronalen Somata bestehen. [23]- Frontallappen
Das Broca-Areal, verantwortlich für die Sprachmotorik und Artikulation, befindet sich im Stirnlappen. Bei einer Störung in diesem Bereich ist es dem Betroffenen trotz Sprachverständnis und erhaltener Muskelfunktion nicht möglich flüssig zu sprechen, es liegt eine sogenannte motorische Aphasie vor. [24] Im Frontallappen sind Zentren für die Kontrolle von Emotionen und des Sozialverhaltens von Bedeutung. Ihre Schädigungen können zu einer Persönlichkeitsveränderung führen. [25] - Parietallappen
Im Parietallappen enden sensible und sensorische Fasern aus der kontralateralen Körperhälfte. Ausfälle in diesem Bereich des Kortex können beispielsweise zu Fehlwahrnehmungen von Berührung, Schmerz oder Temperatur führen. [25] - Okzipitallappen
Im Okzipitallappen ist vorwiegend das visuelle System zu finden. Die primäre Sehrinde stellt den letzten Abschnitt der Sehbahn dar, liegt hier ein Defekt vor kommt es zur Rindenblindheit, der Patient hat keine visuellen Sinneseindrücke mehr. Läsionen in der sekundären Sehrinde führen zur sogenannten Seelenblindheit. Der Betroffene kann alles sehen, das Gesehene jedoch nicht benennen.[25] - Temporallappen
Im Temporallappen sind die primäre und sekundäre Hörrinde sowie das Wernicke-Areal, unser sensorisches Sprachzentrum. In der primären Hörrinde endet die Hörbahn und einzelne Frequenzen gelangen ins Bewusstsein. Ein Ausfall führt zur Rindentaubheit. Störungen im Wernicke-Areal dagegen führen dazu, dass Sprache gehört, jedoch nicht verstanden werden kann, zu vergleichen ist dies mit einer nicht gelernten Fremdsprache. Da eigene Formulierungen nicht verstanden werden, leidet auch die eigene Sprache, es kommt zur sensorischen Aphasie. [25]
- Frontallappen
Klinische Zeichen und psychische Veränderungen bei Hirntumoren (1965)
Stirnhirn Konvexität | Stirnhirn Basis | Hypophyse Zwischenhirn | Zentralregion | Temporallappen | Partialregion | Okzipitalregion | Kleinhirn, Hirnstamm | |
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Verdachtszeichen | ||||||||
Kopfschmerzen | selten, spät | häufiger | Stirn und Augen | selten | spät | Φ | Φ | früh (Nacken, Stirn) |
Erbrechen | selten | selten | bei Ventrikelblockade | erst spät | bei erhöhtem Blutdruck | früh, häufig (nüchtern) | ||
Augen(-hintergrund) | Stauungspapille (StP) spät | (einseitiger) Visusverfall Exophthalamus? | Visus herabgesetzt, bitemproale Gesichtsfelddefekte | selten | StP früher, opt. Halluzination? homonyme Hemianopsie | Quadranten- anepsie |
Heminanopsie, opt. Halluz. | StP früh, Nystagmus Abduzensparese? |
Bewusstsein | (Antriebsmangel) | (Enthemmung?) | früh eingeschränkt | Einschränkung stets Zeichen von erhöhtem Hirndruck! | phasenhaft reduziert | |||
diagnostische Hinweise | ||||||||
Krampfanfälle | häufig | (fokal?) | Φ | früh, fokal, Jackson, Gegenseite, Dämmerattacken, generalisiert? Aura (veget., olfakt.) | sensible Jackson d. Gegenseite | selten | Streckkrämpfe (bedrohlich!) | |
Hirnnerven- störung |
Fazialis? | Olfaktorius? Optikusatrophie? | Optikus! | Fazialis, Hapoglossus? | Okulomot, Abduzens, Trigeminusreizung? | Φ | Φ | Abduzens, Okulomot, Trochlearis, (Kornealreflex?) |
Motorische Störungen | Aphasie (motor.) | Zwangs-, Nachgreifen | Φ | Parese, Plegie (Gegenseite) | amnestische Aphasie (bei Tumor links) | Φ | Ataxie, Koorinat.-Störung (Herdseite) | |
Sensible Störungen | Φ | Φ | Φ | möglich | Hemiphypästesie | Lokalisationsstörung (Gegenseite) | Φ | Φ (Parästhesien?) |
Psychische Störungen | Antriebsmangel | Enthemmung, Euphorie | Stumpfheit, Schlafsucht, delirante Phasen | Φ | Merkschwäche + Korsakow, (paranoide Verstimmung) | Φ | Φ | Benommenheit durch Hirndruck |
Besonderheiten | Konjugierte Kopf- Blickwendung | "Witzelsucht" | NNR-Insuffizien! | Φ | Olfakt. + opt. Aura b. Anfäll. Rindentaubheit? | Agnosie, Alexie, Agraphie | Seelenblindheit | skandierende Sprache |
klinische Untersuchung | ||||||||
Röntgen | Kalkschatten? | Basis verdickt? | Sella erweitert Kalkstippchen Suprasellär? | grobflächig-streifige Kalkschatten (Kortex, Mark, Plexus), Kalottendestruktionen? | Pinealis verschoben | Nahtsprengung (Kind), Wolkenschädel, Sella rarefiziert? | ||
Arteriographie | Anterioranfang ausgebucht, evtl. verschoben Tumoranfärbung? | Turmoranfärbung, Anterior-Gesamtverschiebung zur Gegenseite (Fernsymptom) | Φ | Anteriorbogen bei Hydrozephalus werweitert | ||||
Enzelphelographie | Füllungsdefekt, Seitenverschiebung (FS) | Aussparung im 3. Ventrikel | FS des Seitenventrikels | FS des Tempforalhorns | FS des Trigonum | FS des Hirnterhorns | nur Ventrikulographie! Hydrozephalus des 1.-3. Ventr. Aquädukt verschlossen? | |
EEG | Herdbefund, Krampfwellen? | beiderseits Zwischenwellen | einseitiger Herdbefund (Delta-Wellen), halbseite Verlangsamung | evtl. diffuse Verlangsamung | ||||
Krampfspitzen? | Spitze-Wellenkomplex? | Φ | α-Verminderung |
Verdachtszeiten und klinische Hinweise auf intrakaniellen Prozess[3]
Hirntumore treten gegenüber anderen Erkrankungen mit 1:10.000 eher selten auf. "Es ist vielleicht von Interesse, daß von 580 fortlaufend registrierten Tumoren (...) über 10% anfänglich als nervöse Erschöpfungszustände, als pseudoneurasthenische Bilder, als Psychopathien und sogar als Psychosen verkannt werden."[4]
"Der wichtigste Schritt zur Erkennung eines Hirntumors ist der Verdacht auf seine Existenz."[4]
"Erbrechen als Frühzeichen wird vor allem bei Kleinhirntumoren beobachtet. Intermittierend auftretendes Erbrechen ohne Übelkeitsgefühl oder sogar bei gutem Appetit ist besonders verdächtig auf eine zentrale Auslösung."[4]
"Die Stauungspapille ist in den allermeisten Fällen akutes Zeichen für eine intrakranielle Drucksteigerung. Der Nystagmus ist ebenfalls in der überwiegenden Zahl der Fälle bedingt durch einen raumbeengenden Prozeß. Treten Krampfanfälle im mittleren Lebensalter erstmalig auf, so sind sie fast immer durch eine Neubildung des Hirnes bedingt. ... Jeder Patient mit epileptischen Anfällen, einerlei ob lokalisierte, halbseitige oder generalisierte Krampfanfälle auftreten, muß unbedingt so rasch als möglich durch das EEG, evtl. auch durch Luftenzephalogramm und Arteriographie genauestens untersucht werden, um einen Hirntumor noch rechtzeitig erkennen zu können. Ganz besonders gefährlich sind Streckkrämpfe, meiest ein erster Hinweis für einen raumbeengenden Prozeß des Kleinhirns oder eine Abflußbehinderung des Hirnwassers. Hier besteht immer die Gefahr einer Lähmung im Bereich des Atemzentrums oder der Kreislaufzentren. Kommt es neben Krämpfen noch zu füchtigen oder manifesten Störungen der Motorik, evtl. auf einer Seite des Körpers, dann ist die Ursache fast immer ein Tumor und nur in sehr seltenen Fällen ein Gefäßverschluß oder eine Zerebralsklerose. Motorische unnd sensible Störungen treten bei Großhirntumoren immer auf der gegenüberliegenden Seite auf; bei Kleinhirnprozessen kommt es zu gleichseitigen Störungen; hier stehen jedoch im Vordergrund Ataxie, Schwindel, Kooriinationsstörungen, zusammen mit Pyramidenbahnstörungen, evtl. Schluck- und Stimmlähmungen."[4]
"Wichtig sind weiter Bewußtseins- und psychische Störungen, da gerade sie vom lange behandelnden Hausarzt eher erkannt und richtiger beurteilt werden können als vom klinischen Arzt, der den Patienten aus früherer Zeit nicht kennt. Nicht die schweren organischen Einschränkungen des Bewußtseins mit Benommenheit oder Schlafsucht, nicht die groben Auffälligkeiten, die den Verdacht auf eine Geisteskrankheit lenken, sind entscheidend für die Frühdiagnose eines Hirntumors, gerade die langsamen Veränderungen des früheren Patiententyps, also ein Nachlassen der Leistungsfähigkeit, ein erhöhtes Schlafbedürfnis bei sonst aktiven Patienten, eine gleichgültige Nachlässigkeit bei sonst akkuraten und eher pedantischen Patienten oder auch eine karikaturhafte Verzerrung der früheren Einstellung müssen den Verdacht auf das Vorliegen eines intrakraniellen raumbeschränkenden Prozesses erwecken. ... Vor allem Tumoren im Stirnhirn, in der Nähe des Balkens und der Hypophysenregion zeigen frühzeitig psychische Veränderungen (...)."[5]
"Temprament- und Charakteranomalien sind dann nicht Folge einer endogenen Störung, sondern entstehen durch den Druck des wachsenden Tumors auf das Gesamtgehirn. Die mit der Hirnorganischen Schädigung verbundene Entgleisung der innerseelischen Harmonie ähnelt den symptomatischen Psychosen bei bestimmten körperlichen Erkrankungen. Walter-Buel (...) fand bei 600 Hirntumoren vor der Behandlungseinleitung in 70% psychoorganische Störungen. Corboz (...) stellte bei 52 Kindern der gleichen Versuchsreihe sogar 92% 'psychische Veränderungen irgendwelcher Art' fest."[5]
"Fast immer beginnen intrakranielle Prozesse uncharakteristisch ('Tumorpsyche'): Verlangsamte Auffassung, gestörte Merkfähigkeit und herabgesetze Aufmerksamkeit sind gekoppelt mit depressiver Verstimmung bei gutem Kontakt, Unstetheit im Handeln und Reagieren, Einschränkung der Bewußtseinsklarheit und gelegentlich mit Ideenflucht und Konfabulationen. Fortgeschrittene Stadien des zunehmenden intrakraniellen Druckes zeigen mehr apatisch-lethargische Zustände oder erregte und delirante Symptome."[5]
"Prozesse im Bereich des Stirnhirns zeigen eher einen Verlust des Eigenantriebs bei erhaltener Fremdanregbarkeit. Dazu kommenn häufig eine Vergröberung oder auch eine Abflachung der Gesamtpersönlichkeit. Die Aspontaneität, also die herabgestzte Initiative und Willensleitung, ist häufiger bei Schädigung der Stirnhirnkonvexität; bei Prozessenn im Bereich der Stirnhirnbasis (Orbitalhirn) herrschen Triebenthemmung, Asozialität, Verhaltens-Diskkontinuität, Ausfall der selbstkritischen Einstellung und der affektiven Bindung vor. Selbst Manie-ähnliche Zustände sind (z.B. bei Olfaktorius-, Keilbein- und suprasellären Meningiomen) bekannt, deshalb fanden sich bei den oben genannten postmortalen Untersuchungen auch am häufigsten Stirnhirntumoren."[5]
"Bei Ausdehnung derartiger medio-basaler Prozesse bis zum Zwischenhirn herrschen neben Auffassungsschwierigkeiten und mnestischen Lücken sehr häufig Apathie, Schlafsucht, oder narkoleptische Zustände vor; im Wachzustand impnieren eine leere Euphorie, eine Perseverationstendenz und eine fehlende Zuwendung. Auch eine Senkung des gesamten energetischen Niveaus sowie eine Hemmung der Triebe und Affekte sind meist nicht zu verkennen. ... Bei Ausdenung des Prozesses bis zum Stammhirn kommt es neben einer körperlichen Akinese zu einer Denkverlangsammung (psychischer Rigor), zu psycho-reaktivem Antriebsmangel und vegetativen Begleiterscheinungen, wie sei vor allem bei (postenzephalitischen) Parkinson-Patienten bekannt sind."[6]
"Tumoren in der Nähe der Zentralregion werden noch am ehesten erkannt, da mororische oder sensible Defizit-Erscheinungen auf der Gegenseite, früh einsetzende Krampfanfälle - sie können fokal, Jackson-artig oder generalisiert sein - und agnostische, apraktische und aphasische (auf der dominanten Hemisphäre) Störungen eindeutig auf den Neubildungsprozeß hinweisen. Schwerer ist die Erkennung okzipital gelegener Hirntumoren (sie sind im ganzen gesehen selten), sie geben oft Anlaß zu Rinden- und Seelenblindheit."[6]
"Für die Diagnostik von Schläfenlappentumoren und den gerade hier häufigen degenerativ-zystischen Prozessen (z.B. nach Geburtsschaden) spielen für die Praxis die Erkennung und richtige Eingliederung der kurzdauernden Aufmerksamkeitsstörungen (Dämmerattacken), fälschlich Absencen genannt) ohne Hirnstützen eine Rolle. Sie sind häufig mit Unruhe, Geruchsaura und vegetativen Mißempfindungen verbunden. Kommt es zu Aphasie, so ist hier das Wort-Verständnis gestört (nicht wie bei Tumoren der Sthirnhirnkonvexität die Sprechmotirik!), eine sofortige kliniische Klärung ist wie bei allen Anfällen ratsam und dringlich."[6]
"Im ganze gesehen muß man mit der Zuordnung bestimmter psychischer Veränderungen zu einem bestimmten Hirngebiet vorsichtig sein."[6]
Anhang
Anmerkungen
Einzelnachweise
- ↑ Peter Dorner: Wann ist der Mensch tot? Medizinische, ethische und rechtliche Aspekte. (med. Diss.) Graz 2009.
- ↑ Aline Schöller: Der Hirntod als Todeskriterium und Voraussetzung für eine Organtransplantation: Die Entwicklung der ethischen Diskussion unter Berücksichtigung aktueller neurowissenschaftlicher Erkenntnisse. (med. Diss.) Tübingen 2015.
- ↑ W. Umbach: Klinische Zeichen und psychische Veränderungen bei Hirntumoren. In: Med. Klinik 60 (1965), 381.
- ↑ a b c d W. Umbach: Klinische Zeichen und psychische Veränderungen bei Hirntumoren. In: Med. Klinik 60 (1965), 380.
- ↑ a b c d W. Umbach: Klinische Zeichen und psychische Veränderungen bei Hirntumoren. In: Med. Klinik 60 (1965), 382.
- ↑ a b c d W. Umbach: Klinische Zeichen und psychische Veränderungen bei Hirntumoren. In: Med. Klinik 60 (1965), 383.