Ronald Hitzler

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Ronald Hitzler (* 1950) lehrt als Professor Soziologe an der TU Dortmund. Seine Forschungsschwerpunkte sind Modernisierung als Handlungsproblem, materiale Kultursoziologie, Professionssoziologi, existenzielle Grenzsituationen, methodologisch-methodische Grundlagenprobleme der interpretantiven Sozialforschung.[1]

Leben lassen – Sterben machen (2017)

Ronald Hitzler publiziete in dem Buch "Transmortalität" den Beitrag "Leben lassen – Sterben machen".[2] Darin heißt es:

In gewisser Hinsicht jedenfalls stellt der Mensch im (chronifizierten) Wachkoma ein sozusagen kulturell schwieriges Bewältigungsproblem dar als der hirntote Mensch, der ja drüber definiert ist (vgl. Schneider 1999), dass sämtliche Gehirnfunktionen endgültig erloschen sind bzw. sein sollen*, denn in gewisser Hinsicht in der nämlich auf seine Qualität als Mit-Mensch - kann er dem sogenannten gesunden Menschenverstand durchaus als eine Art 'lebender Toter' erscheinen. (187)

Wachkomaund Hirntod sind medizinisch und juristisch zwei völlig verschiedene Zustände, lebend und tot. - Die Gehirnfunktionen sollen bei Hirntod nicht nur erloschen sein, sie sind erloschen.

In der westlichen Welt zutiefst verankert, schafft der Körper-Geist-Dualismus einen geeigneten Boden dafür, dass der juristische Tod eines Menschen und sein biologischer Tod entkoppelt werden - wobei für ersteren zwangsläufig ein genauer Zeitpunkt angegeben werden muss, während letzterer ein wissenschaftlich undefinierter Vorgang bleibt (187)

Ohne Gehirn gibt es keinen Geist. Das ist Faktum. Der biologische Tod (Tod der letzten Körperzelle) ist bei Mehrzellern immer von Tod des Individuums entkoppelt. - Sterben ist immer ein Prozess. Tod ist immer ein definierter Schnitt in diesem Prozess, nie ein Vorgang.

Der Hirntod basiert auf einer von der Körperlichkeit gelösten Vorstellung von Subjektivität. Tatsächlich assoziiert man seit Descartes den Körper mit einer Maschine, mit dem bloß mechanisch Animalischen, und einzig das Bewusstsein erscheint als Garant für wahrhaft menschliches Leben. Die Gleichsetzung des Hirntodes mit dem Ableben eines Menschen ist nur in diesem Kontext möglich. (187f)

Dann würde der Großhirntod als Definition des Hirntodes genügen. In D/A/CH müssen für den Hirntod jedoch Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm ausgefallen sein.

Der aufgrund fehlender messtechnischer Nachweisbarkeit vermutete, mehr oder weniger vollständige Verlust höherer Hirnfunktionen korreliert somit weniger mit seinem biologischen Tod als mit seinen sozialen Sterben (vgl. Schneider 2014, Hitzler 2015b). (188)

Dieser Nachweis kann messtechnisch erbracht werden.

Aber er wird doch in irgendeiner Weise beseitigt ('bestattet') und/oder (in Teilen) weiter verwertet, die kein lebender Mensch lebend überstehen würde. (188)

Er wird nicht in Teilen "weiter verwertet", sondern er spendet Organe. Siehe: Diffammierung

Der Tote ist somit, wenn er (glaubhaft) als tot deklariert ist (vgl. dazu Lindemann 2002; Lindemann 2003), eindeutig ein auf ein einstiges Subjekt verweisendes Objekt (vgl. Hitzler 2012c). (188)

Jeder Tote ist "ein auf ein einstiges Subjekt verweisendes Objekt". Siehe auch: Todesverständnis

... um die Frage geht, wie nach 'am Rand zum Tode' ein Mensch sein muss, um ihm Organe zu entnehmen, ohne die er nicht mehr, mit denen jedoch ein anderer Mensch weiter leben kann. (189)

Siehe: Todesverständnis


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Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Antje Kahl, Hubert Knoblauch, Tina Weber (Hg.): Transmortalität. Organspende, Tod und tote Körper in der heutigen Gesellschaft. Weinheim 2017, 232.
  2. Ronald Hitzler: Leben lassen – Sterben machen. In: Antje Kahl et al. (Hg.): Transmortalität. Organspende, Tod und tote Körper in der heutigen Gesellschaft. Weinheim 2017, 170-194.