Praxis PalliativeCare: Unterschied zwischen den Versionen
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{{Zitat2|Wird das eine Sterben vollzogen, gleich wie unaufschiebbar es ist, wird das andere Sterben mit großer Mühe verhindert. (16)}} | {{Zitat2|Wird das eine Sterben vollzogen, gleich wie unaufschiebbar es ist, wird das andere Sterben mit großer Mühe verhindert. (16)}} | ||
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[[Intermediäres Leben]] ist das Leben von Organen und Zellen nach dem Tod des Individuums, also auch nach dem Tod des Menschen. | [[Intermediäres Leben]] ist das Leben von Organen und Zellen nach dem Tod des Individuums, also auch nach dem Tod des Menschen. | ||
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Siehe: [[Apnoe-Test]] | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Beim hirntoten Organspender wird oftmals der Kreislauf medikamentös aufrechterhalten und die Beatmung ist häufig künstlich. (16)}} | ||
[[Eigenatmung]] und [[Hirntod]] schließen sich gegenseitig aus. Siehe: [[Apnoe-Test]] | |||
{{Zitat2|Zu diesem ganzheitlichen Sterben gehört wesentlich die Begleitung durch geliebte Menschen oder Sterbebegleitung. (16f)}} | |||
{{Zitat2|Auch der individuelle Charakter des Sterbens jedes Menschen geht im Operationssaal verloren. (17)}} | |||
Siehe: [[Sterbebegleitung]] | |||
=== Organ-'Spende' - der Verzicht ... (Anna Bergmann) === | === Organ-'Spende' - der Verzicht ... (Anna Bergmann) === | ||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Organ-'Spende' - der Verzicht auf palliative Sorge und einen pietätvollen Umgang. (18)}} | ||
{{Zitat2|Obwohl mittlerweile die palliativ-hospizliche Sorge um Sterbende Einzug in die Krankenhäuser gehalten hat, verbietet sich eine solche Begleitung von Organspendern, denn sie ist zweckwidrig. (19)}} | |||
{{Zitat2|Jegliche Sorge um die Sterbenden wird zugunsten ihrer Verdinglichung hinfällig. Und so hat die Palliativmedizin während der intensivmedizinischen 'Spenderkonditionierung', ebenso wie bei dem auf dem Operationstisch erfolgenden chirurgisch erzeugten Herztod der Spender zu weichen. (19)}} | |||
Siehe: [[Palliativversorgung]] | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Definitionen wie die des 'klinischen Todes' oder des 'Hirntodes' beschränken sich auf biologische Beschreibungen des Sterbens und des Todeseintritts, wobei der Verlust einzelner Organfunktionen im Zentrum stehen. (18)}} | ||
Der "klinische Tod" ist kein Tod, sondern nur ein Stillstand des Herzschlags (und der Atmung). Aus diesem Zustand kann man u.U. den Patienten durch [[Reanimation]]smaßnahmen wieder herausholen. | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Im Zuge der Medizinierung des Todes verlagerte sich das Sterben immer mehr in die Klinik. (18)}} | ||
Oft werden von den Angehörige, manchmal auch von Heimen, im Grunde Sterbende in die Klinik gebracht, weil man die Schwere des Zustandes nicht wahrhaben will und auf die Leistungen der Medizin Hoffnung setzt. Manchmal geschieht dies auch gegen den Willen des Sterbenden. | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Die Todesfeststellung dieser Patienten beschränkt sich allein auf das Versagen des Gehirns, sodass 'Hirntote' für den Zweck der Organgewinnung intensivmedizinisch weiterbehandelt und operiert werden. (18)}} | ||
Siehe: [[Todesverständnis]] | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Sämtliche theapeutischen Maßnahmen zielen exklusiv auf die unter Zeitdruck stehende Gewinnung der Organe ab und keine einzige medizinische Maßnahme erfolgt zum Wohl des Spenders. (19)}} | ||
Der Spender ist hirntot. Worin soll da sein Wohl bestehen? | |||
{{Zitat2|Da die Palliativmedizin (lat. palliatio: 'Bemäntelung') grundsätzlich nicht für die Heilung eines schwer kranken Menschen, sondern ausschließlich für die Linderung seiner Beschwerden zuständig ist, zählt die medizinische, ebenso die psychologische und die soziale Begleitung von Patienten im finalen Stadium auf einer Intensivstation zu ihrem Aufgabenfeld. ... Komapatienten mit drohendem oder bereits eingetretenen Hirnversagen, die für eine Organspende nicht zur Verfügung stehen, haben - wie alle anderen Patienten während der Beendigung ihrer Therapie auch - bei einem Behandlungsabbruch auf der Intensivstation einen Rechtsanspruch auf eine palliativmedizinische Betreuung. (19)}} | |||
{{Zitat2|Potentielle Organspender hingegen, die sich zuvor für eine Explantation bereit erklärt haben oder dafür freigegeben worden sind, verlieren die Option einer palliativen Behandlung. (19)}} | |||
Wenn der Hirntod festgestellt ist, ist nachweislich jede Form von [[Wahrnehmung]] erloschen. Daher gibt es für Hirntote kein Leid und keine Beschwerden, die gelindert werden könnten. Von einer "palliativmedizinischen Behandlung" von Hirntoten zu schreiben ist daher unsinnig. | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Ebenso verzichten sie auf eine familiäre und freundschaftliche Unterstützung. (19)}} | ||
Worin soll denn ein Hirntoter noch freundschaftlich unterstützt werden? | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Wie viele andere Hinterbliebene von Organspendern lehnte auch diese Familie einen Blick in den Sarg kategorisch ab, und Karolina Müller blieb lange Zeit von Zweifeln geplagt. (20)}} | ||
Dies ist die Folge einer schlechten Begleitung. Ähnliches Verhalten ist auch bei Müttern zu beobachten, die ihr totes Kind geboren haben. In den Frauenkliniken ist es jedoch seit Jahren Standard, dass man die Mütter behutsam zum Ansehen ihres toten Kindes geführt werden. Dies ist noch eine anstehende Aufgabe bei der Organspende. | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Die Operationslogik einer Organspende zwingt zur Aufgabe von Grundsätzen unserer Bestattungskultur, des Hospizgedankens, der Palliativmedizin und der Pietät. Der Begriff Pietät stammt aus dem Lateinischen (lat. pietas) und bedeutet 'dankbare Liebe', 'Ehrfurcht', 'ehrerbietende Rücksichtnahme'." (20)}} | ||
In § 6 [[TPG]] wird die "Achtung der Würde des Organ- und Gewebespenders" eingefordert.<br> | |||
Ich durfte einmal im Operationssaal bei einer laparoskopischen Entfernung eines verkrebsten Lungenlappens, einer Entfernung eines verkrebsten Lungenflügels am offenen Brustkorb und einer Organenntnahme (Lunge und Niere). Ich konnte bei der Organentnahmme keinen Pietätlosigkeit erkennen. | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Die im Rahmen einer Organgewinnung vorgenommene Zerstörung der leiblichen Integrität von Organspendern hingegen kündigt Regeln unserer Bestattungskultur sowie die anthropologisch verankerte 'heilige Scheu' vor dem Leichnam nicht nur auf, sondern kehrt sie in das Gegenteil um. In ein aggressives Verhältnis, das aus Tötungsriten des Krieges als Racheakt bekannt ist. (21)}} | ||
Dieses "aggressive Verhältnis" kann auch jeder chirurgischen Operation vorgewerfen werden, der Entfernung eines Krebsgeschwürs, der "Reparatur" eines Darmverschlusses, eines geplatzten Blinddarms, einer Herzklappe, eines geplatzen Aneurysma, oder ... | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Praktiken der Organgewinnung hingegen zerstören zugunsten deiner profanen Verwertungslogik diese Kultur des Sterbens und des Todes. (21)}} | ||
Siehe: [[Würde]] und [[Sterbebegleitung]] | |||
=== Der umkämpfte Tod (Walter Schaupp) === | |||
{{Zitat2|Potenzielle Organspender, die sich zuvor für eine Explantation bereit erklärt haben oder dafür freigegeben worden sind, verlieren die Option einer palliativen Behandlung. (22)}} | |||
Siehe: [[Palliativversorgung]] | |||
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{{Zitat2| | {{Zitat2|Die Transplantationsmedizin ist dem klassischen, direkten Kampf der Medizin gegen den Tod verpflichtet, während die Palliativmedizin eine Mentralität repräsentiert, welche die prinzipiellen Grenzen dieses Kampfes anerkennt und aus einem neuen, positiven Verhältnis zu Sterben und Tod heraus therapeutisch agiert. (23)}} | ||
Die Intensivmedizin kämpfte zunächst auch um das Leben des schwer hirngeschädigten Patienten, bis der Hirntod festgestellt wurde. Diese harte Realität akzeptiert die Medizin mit dem [[Therapieende]] nach Feststellung des Hirntodes. | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Bei den sich hier abzeichnenden Konfliktlagen geht es um das Anliegen eines unverzweckten Sterbens in Würde auf der einen Seite und um einen möglichst ungehinderten Zugang zur postmortalen Organspende auf der anderen Seite. (23)}} | ||
Kein Organspender stirbt einen "verzweckten" Tod. Er stirbt den Hirntod aufgrund der Schwere seiner Hirnschädigung. Weil er den Hirntod gestorben ist, besteht - bei gesunden Organen - die Möglichkeit der Organspende. | |||
{{Zitat2| | {{Zitat2|Die Praxis der Organgewinnung, wie sie heute geübt wird, berührt und beeinflusst aus verschiedenen Gründen nicht nur die Art und Weise, wie Sterben und Tod erlebt werden und wie medizinisch und menschlich damit umgegangen wird, z.B. wenn bestimmte Maßnahmen zur Sicherung der Organqualität schon vor dem eigentlichen Tod getroffen werden sollen. (23)}} | ||
Diese Maßnahmen sind unter Voraussetzung dieser beiden Punkte möglich: Der Eintritt des Hirntodes ist binnen Stunden oder weniger Tage zu erwarten. Es liegt eine Zustimmung für die spätere Organentnahme vor. | |||
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Version vom 13. November 2019, 17:54 Uhr
Das Heft 44-2019 der Fachzeitschrift "Praxis PalliativCare" steht ganz in der Kritik von Hirntod und Organspende. Daher erfolgt die Richtigstellung unter dieser Bezeichnung.
Inhaltsverzeichnis
Das Inhaltsverzeichnis lässt erahnen, dass das Heft unter der Federführung von Anna Bergmann entstanden sein dürfte:
- 7Die palliative Seite der Organspende
Andreas Heller, Anna Bergmann - Die Organentnahme verhindert ein menschenwürdiges Sterben und raubt den letzten Abschied.
Eine Mutter berichtet
Gisela Meyer zu Biesen - Blicke hinter die Kulissen
Auszüge aus einem anonymisierten Interview mit zwei diplomierten Pflegepersonen, die auf einer pneumologischen Station tätig sind und vielfältige Erfahrungen mit lungentransplantierten Patienten und Patientinnen haben
Anna Bergmann - Zum Unterschied zwischen dem Hirntodsyndrom und einer Definition des Todes
Martin Stahnke - Über die Organspende nach dem Hirntod und ihr ethisches Dilemma
Ein Plädoyer für begleitetes Serben bis zuletzt
Sabine Schacht - Organ-'Spende' - der Verzicht auf palliative Sorge und einen pietätvollen Umgang
Alle therapeutischen Maßnahmen zielen exklusiv auf die unter Zeitdruck stehende Gewinnung der Organe ab. Ab dem Zeitpunkt ihrer Todesfeststellung auf der Intensivstation haben sie als Tote alle Patientenrechte verloren.
Anna Bergmann - Der umkämpfte Tod
Herausforderungen der Transplantationsmedizin für unseren Umgang mit Sterben und Tod
Walter Schaupp - Organ-'Sende' - das andere Sterben
Anna Bergmann - Das beschwiegene Paradox der Organspende und seine gefährlichen Folgen für unser Menschenbild
Axel W. Bauer - Der hirntote Mensch als Organspender, ein würdevolles Sterben und die Herausforderung der Pflege
Martina Hiemetzberger - Was Organspender wissen sollten!
Hans-Joachim Ritz - 'Marginale Spender' - 'Marginale Empfänger': eine Strategie zur Vergrößerung des 'Spenderpools'
Anna Bergmann - Warum keine Organspenden am Lebensende durchgeführt werden dürfen
Axel Frei - Das 'gerechtfertigte Töten' für die Lebensrettung anderer Patienten
Anna Bergmann
Die in Klammer gesetzte Zahl nennt die Seite dieses Zitates in dem Heft 44-2019.
Die palliative Seite ... (Andreas Heller, Anna Bergmann
Wann befindet sich ein Mensch im Sterben und ist lebendig, wann ist er tot? (1) |
Siehe: Todesverständnis
Ist eine palliative Sorge um Organspender und eben auch um die keineswegs kleine Gruppe jener Empfänger möglich, bei denen eine Transplantation nicht mehr erhofften Lebensrettung, sondern zu einem unvorstellbar anderen Leiden und zu einem anderen Sterben führt? (1) |
Siehe: Entscheidungen
Die politischen Kampagnen für 'mehr Organe' sind einseitig. Sie blenden die palliativ-hospizliche Dimension des Lebens aus. (1) |
Siehe: Hospiz
Mit aller Macht hält aber die Transplantationsmedizin an der Quadratur des Kreises mit immer weiteren aggressiven, grenzüberschreitenden Strategien der Organbeschaffung fest: etwa die 'Organspende-Euthanasie', die Aufgabe des Hirntodkriteriums bei Patienten mit Herzstillstand, die Verpflanzung 'maraginaler Organe' oder das xenotransplantationsmediziinische Projekt der genetischen Erzeugung von Mensch-Tier-Mischwesen. (1) |
Die aggressive Sprache ist bei den Kritikern festzustellen, auf der Seite der Organspende eine sachliche, informative Sprache. - "Organspende-Euthanasie" ist eine Diffamierung.
Die Organentnahme verhindert ... (Gisela Meyer zu Biesen)) =
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Blicke hinter die Kulissen (Anna Bergmann)
Der Zusammenhang zwischen der Kritik an der Transplantationsmedizin und der Palliativmedizin ist nicht zu erkennen. In einer Prüfungsarbeit wäre das Urteil "Thema verfehlt".
Zum Unterschied zwischen ... (Martin Stahnke)
Der Patient, dessen Organe gerade entnommen wurden, bekam also eine Anästhesie. (12) |
Sollte ich etwa eine Leiche narkotisieren? (12) |
Hirntote Patienten sind auf den ersten Blick gar nicht von anderen Intensivmedinisch betreuten Patienten zu unterscheiden. (12) |
Siehe: Todesverständnis
Und selbst die Atmung kann bei diesen Patienten besser sein als bei so manch anderen schwer kranken Intensivpatienten. (12f) |
Wie der Apnoe-Test bei jeder HTD beweist, ist die Eigenatmung bei Hirntoten erloschen.
Die zur Organspende vorgesehenen Menschen weisen für jeden Menschen sichtbar eindeutige Zeichen des Lebens auf. (13) |
Siehe: Todesverständnis und Leben der Hirntoten
In der Diskussion über die Hirntodvereinbarung werden im allgemeinen drei Ebenen unterschieden: Erstens die Frage nach dem Todesbegriff oder nach dem Todesverständnis: Wie ist der Status 'tot' zu fassen? Daran schließt sich die Bestimmung des Todeskriteriums an: Wann ist jemand tot? Die Antwort darauf wird durch diagnostische Tests, die für eine Todesuntersuchung notwendig sind, gegeben, und an die Frage geknüpft sind: Wie ist der Zeitpunkt des Todeseintritts feststellbar? Diese drei Ebenen werden in der Diskussion über den Hirntod häufig verwischt. (13) |
Siehe: Todessubjekt, Todesdefinition, [[Todeskriterium] und Todesfeststellung
Der Hirnntod als Kriterium - also: das Hirntodkriterium - erfüllt eben nicht die Ansprüche für eine Definition des Todes. Es ist ein Symptom. Un dieses Anzeichen muss für die von uns gewählte Todesfefinition akzeptabel sein. (13) |
Deswegen heißt es auch "Hirntodkriterium" und nicht "Hirntoddefinition".
In Deutschland haben wir keine parlamentarisch verfasste Definition des Todes.
Die als sicher bezeichneten Todeszeichen wie Leichenflecken und Totenstarre sind Kriterien der seit Jahrhunderten und der bis heute bestehenden Ansicht: Der Stillstand des Herzens und das anschließend folgende Versagen aller Organe, nicht nur eines einzelnen Organs, zeigen den Tod an. (13) |
Damit haben wir aber noch immer keine Todesdefinition. - Totenflecken und Totenstarre sind erst seit Ende des 19. Jh. allgemein anerkannte sicher Todeszeichen.
Ein Kriterium muss mit einer Definition des Todes korrespondieren können, damit es als Merkmal gelten kann. (13) |
Es gibt in Deutschland keine parlamentarisch verfasste Definition des Todes.
Eine Grenze zwischen Leben und Tod existiert nicht. Sie wurde aber gezogen, um die Organentnahme bei Menschen mit einem Hirnversagen zu ermöglichen. (14) |
Seit frühester Zeit haben Menschen eine Grenze zwischen Leben und Tod festgelegt. Diese Grenze ist kulturell verschieden und hat sich mit fortschreitender Erkenntnis und dem Fortschritt der Medizin verändert.
Doch dieser Übergang vom Tod einzelner Zellen zum Hirntod ist nicht schon natürlich vorhanden und wird deswegen auch nicht von der Natur in einem bestimmten Moment überschritten. (14) |
Das Absterben der Gehirnzellen ist ein natürlicher Vorgang. Bereits Vladimir Negovsky erkannte in den 1940-er Jahren, dass ein Mensch so lange erfolgreich reanimiert werden kann, so lange sein Gehirn funktioniert.
Das Ausbleiben aller Reflexe wurde allerdings noch im selben Jahr 1968 aufgegeben, weil die 'Harvard-Hirntoten' für die Bedürfnisse der Transplantationsmedizin bereits zu tot waren. (14) |
Es gibt keine Hirntote ohne Rückenmarksreflexe. Das übersah die Ad-Hoc-Kommission.
Und diese, wie es bei Hans Jonas heißt, 'pragmatische Umdefinierung des Todes' soll nichts mit dem damaligen Stand der Transplantationsmedizin zu tun gehabt haben? (15) |
Siehe: Pierre Wertheimer
Ohne diese hypothetische und durch keinen medizinisch-naturwissenschaftliche Methode empirisch beweisbare Todesdefinition im Sinne eines Naturgesetzes wäre die Weiterentwicklung der Transplantationsmedizin nicht möglich gewesen. (15) |
Es gibt kein Naturgesetz, das den Tod definiert. Auch die medizinisch-naturwissenschaftliche Methode liefert uns nur Antworten auf ganz spezielle Fragen, aber keinen Todesdefinition. Diese erfolgt immer durch einen Festlegung durch uns Menschen.
Über die Organspende ... (Sabine Schacht) =
Das Sterben des Organspenders im Operationssaal ist nicht nur ein unbegleitetes, sondern auch ein dem natürlichen Sterbeprozess widersprechendes. (16) |
Siehe: Sterbebegleitung
Das Ärzteteam transferiert in einer chirurgischen Meisterleistung ein Organ zwischen zwei sterbenden Menschen. (16) |
Wird das eine Sterben vollzogen, gleich wie unaufschiebbar es ist, wird das andere Sterben mit großer Mühe verhindert. (16) |
Das Sterben des Organspenders im Operationssaal ist nicht nur ein unbegleites, sondern auch ein dem natürlichen Sterbeprozess widersprechendes. (16) |
Das kurative Prinzip verdrängt das würdevolle Sterben im Beisein der Angehörigen. (16) |
Siehe: Todesverständnis
Die Kodierung der Rollen 'Spender' und 'Empfänger' bestimmt das medizinische Gesamtgefüge im Konzept 'Hirntod'. (16) |
Die beiden Leben von Spender und Empfänger wurden im Vorfeld einer Katgorisierung unterzogen. (16) |
Dem Hirntoten kann medizinisch nicht geholfen werden, dem Organkranken hingegen sehr wohl.
Der Hirntote bräuchte für seine Genesung ein neues Gehirn. Könnte die Medizin ihm dieses einsetzen, so wäre er damit auf dem geistigen Nieveau eines ungeborenen Kindes. Von dem vorigen Menschen wäre nur der Körper da. Siehe: Körper-TX
So kann von einer Reduktion des Menschen auf sein Gehirn gesprochen werden. (16) |
Siehe: Datenbank unseres Lebens
Das intermediäre Leben des einen dient einer Rekonstruktion und Unterstützung des potenziell kurativen Lebendigen des anderen. (16) |
Intermediäres Leben ist das Leben von Organen und Zellen nach dem Tod des Individuums, also auch nach dem Tod des Menschen.
Die geistig-seelische Komponente bleibt außen vor, ebenso eine hospizliche Haltung der Begleitung in Leben und Tod als Ganzheit. (16) |
Siehe: Sterbebegleitung
Der schützende palliative Mantel kann nicht ausgebreitet werden. (16) |
Siehe: Palliativversorgung
Der Hirntod des Menschen bedeutet eben gerade nicht, dass Herzschlag und Atmung bereits ausgesetzt haben müssen. (16) |
Siehe: Apnoe-Test
Beim hirntoten Organspender wird oftmals der Kreislauf medikamentös aufrechterhalten und die Beatmung ist häufig künstlich. (16) |
Eigenatmung und Hirntod schließen sich gegenseitig aus. Siehe: Apnoe-Test
Zu diesem ganzheitlichen Sterben gehört wesentlich die Begleitung durch geliebte Menschen oder Sterbebegleitung. (16f) |
Auch der individuelle Charakter des Sterbens jedes Menschen geht im Operationssaal verloren. (17) |
Siehe: Sterbebegleitung
Organ-'Spende' - der Verzicht ... (Anna Bergmann)
Organ-'Spende' - der Verzicht auf palliative Sorge und einen pietätvollen Umgang. (18) |
Obwohl mittlerweile die palliativ-hospizliche Sorge um Sterbende Einzug in die Krankenhäuser gehalten hat, verbietet sich eine solche Begleitung von Organspendern, denn sie ist zweckwidrig. (19) |
Jegliche Sorge um die Sterbenden wird zugunsten ihrer Verdinglichung hinfällig. Und so hat die Palliativmedizin während der intensivmedizinischen 'Spenderkonditionierung', ebenso wie bei dem auf dem Operationstisch erfolgenden chirurgisch erzeugten Herztod der Spender zu weichen. (19) |
Siehe: Palliativversorgung
Definitionen wie die des 'klinischen Todes' oder des 'Hirntodes' beschränken sich auf biologische Beschreibungen des Sterbens und des Todeseintritts, wobei der Verlust einzelner Organfunktionen im Zentrum stehen. (18) |
Der "klinische Tod" ist kein Tod, sondern nur ein Stillstand des Herzschlags (und der Atmung). Aus diesem Zustand kann man u.U. den Patienten durch Reanimationsmaßnahmen wieder herausholen.
Im Zuge der Medizinierung des Todes verlagerte sich das Sterben immer mehr in die Klinik. (18) |
Oft werden von den Angehörige, manchmal auch von Heimen, im Grunde Sterbende in die Klinik gebracht, weil man die Schwere des Zustandes nicht wahrhaben will und auf die Leistungen der Medizin Hoffnung setzt. Manchmal geschieht dies auch gegen den Willen des Sterbenden.
Die Todesfeststellung dieser Patienten beschränkt sich allein auf das Versagen des Gehirns, sodass 'Hirntote' für den Zweck der Organgewinnung intensivmedizinisch weiterbehandelt und operiert werden. (18) |
Siehe: Todesverständnis
Sämtliche theapeutischen Maßnahmen zielen exklusiv auf die unter Zeitdruck stehende Gewinnung der Organe ab und keine einzige medizinische Maßnahme erfolgt zum Wohl des Spenders. (19) |
Der Spender ist hirntot. Worin soll da sein Wohl bestehen?
Da die Palliativmedizin (lat. palliatio: 'Bemäntelung') grundsätzlich nicht für die Heilung eines schwer kranken Menschen, sondern ausschließlich für die Linderung seiner Beschwerden zuständig ist, zählt die medizinische, ebenso die psychologische und die soziale Begleitung von Patienten im finalen Stadium auf einer Intensivstation zu ihrem Aufgabenfeld. ... Komapatienten mit drohendem oder bereits eingetretenen Hirnversagen, die für eine Organspende nicht zur Verfügung stehen, haben - wie alle anderen Patienten während der Beendigung ihrer Therapie auch - bei einem Behandlungsabbruch auf der Intensivstation einen Rechtsanspruch auf eine palliativmedizinische Betreuung. (19) |
Potentielle Organspender hingegen, die sich zuvor für eine Explantation bereit erklärt haben oder dafür freigegeben worden sind, verlieren die Option einer palliativen Behandlung. (19) |
Wenn der Hirntod festgestellt ist, ist nachweislich jede Form von Wahrnehmung erloschen. Daher gibt es für Hirntote kein Leid und keine Beschwerden, die gelindert werden könnten. Von einer "palliativmedizinischen Behandlung" von Hirntoten zu schreiben ist daher unsinnig.
Ebenso verzichten sie auf eine familiäre und freundschaftliche Unterstützung. (19) |
Worin soll denn ein Hirntoter noch freundschaftlich unterstützt werden?
Wie viele andere Hinterbliebene von Organspendern lehnte auch diese Familie einen Blick in den Sarg kategorisch ab, und Karolina Müller blieb lange Zeit von Zweifeln geplagt. (20) |
Dies ist die Folge einer schlechten Begleitung. Ähnliches Verhalten ist auch bei Müttern zu beobachten, die ihr totes Kind geboren haben. In den Frauenkliniken ist es jedoch seit Jahren Standard, dass man die Mütter behutsam zum Ansehen ihres toten Kindes geführt werden. Dies ist noch eine anstehende Aufgabe bei der Organspende.
Die Operationslogik einer Organspende zwingt zur Aufgabe von Grundsätzen unserer Bestattungskultur, des Hospizgedankens, der Palliativmedizin und der Pietät. Der Begriff Pietät stammt aus dem Lateinischen (lat. pietas) und bedeutet 'dankbare Liebe', 'Ehrfurcht', 'ehrerbietende Rücksichtnahme'." (20) |
In § 6 TPG wird die "Achtung der Würde des Organ- und Gewebespenders" eingefordert.
Ich durfte einmal im Operationssaal bei einer laparoskopischen Entfernung eines verkrebsten Lungenlappens, einer Entfernung eines verkrebsten Lungenflügels am offenen Brustkorb und einer Organenntnahme (Lunge und Niere). Ich konnte bei der Organentnahmme keinen Pietätlosigkeit erkennen.
Die im Rahmen einer Organgewinnung vorgenommene Zerstörung der leiblichen Integrität von Organspendern hingegen kündigt Regeln unserer Bestattungskultur sowie die anthropologisch verankerte 'heilige Scheu' vor dem Leichnam nicht nur auf, sondern kehrt sie in das Gegenteil um. In ein aggressives Verhältnis, das aus Tötungsriten des Krieges als Racheakt bekannt ist. (21) |
Dieses "aggressive Verhältnis" kann auch jeder chirurgischen Operation vorgewerfen werden, der Entfernung eines Krebsgeschwürs, der "Reparatur" eines Darmverschlusses, eines geplatzten Blinddarms, einer Herzklappe, eines geplatzen Aneurysma, oder ...
Praktiken der Organgewinnung hingegen zerstören zugunsten deiner profanen Verwertungslogik diese Kultur des Sterbens und des Todes. (21) |
Siehe: Würde und Sterbebegleitung
Der umkämpfte Tod (Walter Schaupp)
Potenzielle Organspender, die sich zuvor für eine Explantation bereit erklärt haben oder dafür freigegeben worden sind, verlieren die Option einer palliativen Behandlung. (22) |
Siehe: Palliativversorgung
Die Transplantationsmedizin ist dem klassischen, direkten Kampf der Medizin gegen den Tod verpflichtet, während die Palliativmedizin eine Mentralität repräsentiert, welche die prinzipiellen Grenzen dieses Kampfes anerkennt und aus einem neuen, positiven Verhältnis zu Sterben und Tod heraus therapeutisch agiert. (23) |
Die Intensivmedizin kämpfte zunächst auch um das Leben des schwer hirngeschädigten Patienten, bis der Hirntod festgestellt wurde. Diese harte Realität akzeptiert die Medizin mit dem Therapieende nach Feststellung des Hirntodes.
Bei den sich hier abzeichnenden Konfliktlagen geht es um das Anliegen eines unverzweckten Sterbens in Würde auf der einen Seite und um einen möglichst ungehinderten Zugang zur postmortalen Organspende auf der anderen Seite. (23) |
Kein Organspender stirbt einen "verzweckten" Tod. Er stirbt den Hirntod aufgrund der Schwere seiner Hirnschädigung. Weil er den Hirntod gestorben ist, besteht - bei gesunden Organen - die Möglichkeit der Organspende.
Die Praxis der Organgewinnung, wie sie heute geübt wird, berührt und beeinflusst aus verschiedenen Gründen nicht nur die Art und Weise, wie Sterben und Tod erlebt werden und wie medizinisch und menschlich damit umgegangen wird, z.B. wenn bestimmte Maßnahmen zur Sicherung der Organqualität schon vor dem eigentlichen Tod getroffen werden sollen. (23) |
Diese Maßnahmen sind unter Voraussetzung dieser beiden Punkte möglich: Der Eintritt des Hirntodes ist binnen Stunden oder weniger Tage zu erwarten. Es liegt eine Zustimmung für die spätere Organentnahme vor.
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Organ-'Sende' - das andere Sterben (Anna Bergmann)
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