Homöostase
Homöostase beschreibt die Selbstregulierung jedes lebenden Organismus, vom Bakterium bis zum Menschen.[Anm. 1]
Beim Menschen gehört mit zur Homöostase:
- Regelung des Energiehaushalts (Hunger)[Anm. 2]
- Regelung des Elektrolythaushalts
- Regelung des Wasserhaushalts (Durst)
- Regelung der Körpertemperatur[Anm. 3]
- Regelung von Puls und Blutdruck
- Regelung des Blutzuckers (bei Diabetiker gestört)
- Regelung des Schlaf-Wach-Rhythmus
Die Homöostase ist bei Hirntoten meist gestört bis völlig ausgefallen. Aufgabe des Personals auf der Intensivstation ist es, dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten auszugleichen. Hierfür gibt es Zielvorgaben. Siehe: Organprotektive_Intensivtherapie Hirntote im Vergleich mit Patienten, bei denen nach Patientenverfügung das Therapieende gewünscht wird.
Fähigkeit | Patientenverfügung | Hirntod | |
---|---|---|---|
Kommunikation | sich mitteilen können | unmöglich | unmöglich |
Können | gehen, sprechen, singen, musizieren, balancieren | unmöglich | unmöglich |
Wahrnehmung | sehen, hören, riechen, schmecken, tasten | möglich | unmöglich |
Bewusstsein | denken, planen, erfinden, kreativ etwas erschaffen | möglich | unmöglich |
Erinnerung | was man erlebt hat (DuL) | möglich | unmöglich |
Wissen | was wir gelernt haben (DuL) | möglich | unmöglich |
Gefühle | Liebe, Hass, Vertrauen, Angst, Hoffnung, Sorge | möglich | unmöglich |
Eigenatmung | atmet selbstständig, wenn auch schwer | möglich | unmöglich |
Hirnstammreflexe | Licht-, Lidschluss-, ... Atem-Reflex | vorhanden | nicht vorhanden |
Homöostase | Körpertemperatur, Wasserhaushalt | gestört | sehr gestört |
Herzschlag | vorhanden | vorhanden | |
Verbesserung des Zustandes? | sehr unwahrscheinlich | völlig unmöglich | |
gewünscht | Mord? |
Das "unmöglich" ist beim Hirntod deswegen dauerhaft, weil die Gehirnzellen im Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm seit Eintritt des Hirntodes so schwer geschädigt sind, dass sie nicht nur nie wieder funktionieren werden (irreversibel). Sie befinden sich in einem so weit fortgeschritten Sterbeprozess, dass dieser unaufhaltsamen geworden ist und der nach Tagen des Hirntodes mit der Auflösung des Gehirns (Autolyse) endet. |
Bedeutung der Homöostase
Sinnvoll kooperieren können die spezialisierten Organe des Körpers nur, wenn ihre Funktionen aufeinander abgestimmt sind. Als Infrastruktur stehen dazu vor allem das Nervensystem und das Kreislaufsystem zur Verfügung.[1] |
Beispiele gestörter Homöostase der Hirntoten
Hier werden einige für den medizinischen Laien gut verständliche Beispiele der gestörten Homöostase der Hirntoten genannt.
Eigenatmung
Das Atemzentrum liegt in der Medulla oblongata im Hirnstamm.[2] Mit dem Hirntod ist der Hirnstamm funktionsunfähig. Damit kommt vom Atemzentrum wie wieder ein Atemimpuls.
Siehe: Atmung
Körpertemperatur
Im Hypothalamus ist das Regulationszentrum für die Temperaturregelung des Körpers. Auf bisher unbekannte Weise ist dort eine Soll-Temperatur kodiert. Bei Kälte reagiert der Hypothalamus mit Glutamat, bei Hitze mit GABA. Diese Hormone sprechen die Raphekerne im Hirnstamm an. Diese Neurone führen die eigentliche Thermoregulation aus, z.B. durch Anpassung der Thermogenese, Hautdurchblutung und Herztätigkeit. Durch Freisetzung von TRH wird Einfluss auf die Schilddrüsen genommen, die wiederum auf den Hypothalamus einwirken.[3]
Siehe: Körpertemperatur
Cushing-Reflex
Diabetes insipidus
Beim Hirntod stirbt der Hypophysenvorderlappen ab. Dadurch werden dort keine Hormone (z.B. ADH) mehr produziert. Fehlt dem Körper ADH, führt es in der Niere zu einer extrem gesteigerten Urinauscheidung ("Wasseruhr" = Diabetes insipidus) von bis zu über 20 Litern pro Tag. Diabetes insipidus gehört daher zu den charakteristischen Begleitsymptomen nach Eintritt des Hirntodes.[4]
Siehe: Diabetes insipidus
Ausfall der Homöostase bei Hirntoten
Es gibt Anzeichen, dass der Hirntod in Stunden bis Tagen eintreten kann. "Neurologische Hinweise auf eine mögliche Entwicklung eines irreversiblen Hirnfunktionsausfalls sind gemäß Anlage 2 der Richtlinie der BÄK nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TPG insbesondere:"[5]
- a) die (nicht medikamentös verursachte) Erweiterung und Lichtstarre der Pupillen,
- b) das (nicht medikamentös verursachte) Erlöschen anderer "Hirnnerven-Reflexe" bis zur fehlenden Reaktion beim Absaugen,
- c) das (nicht durch Relaxierung verursachte) Erlöschen einer Spastik und Auftreten einer Muskelhypotonie,
- d) eine sekundäre, insbesondere eine progrediente Hypothermie sowie eine transiente Poikilothermie,
- e) ein zusammen mit anderen Hirnstamm-Symptomen eintretender Diabetes insipidus,
- f) ein kontinuierlicher Blutdruckanstieg ("Cushing-Reflex") mit dann plötzlichem Blutdruckabfall und von da an nötiger medikamentöser Kreislaufunterstützung,
- g) ein (bei intrakranieller Druckregistrierung) therapieresistenter Hirndruck-Anstieg.
Nach "Leitfaden für die Organspende" (2016) sollen die nachstehenden Zielgrößen während der organprotektiven Intensivmaßnahmen angestrebt und überwacht werden:[6]
- Herzfrequenz (HF) 60–100/min
- mittlerer arterieller Druck (MAD) 70–100 mmHg
- zentralvenöser Druck (ZVD) 7-10 mmHg (unter Beachtung von Beatmungsparametern)
- periphere arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2) > 92%
- zentralvenöse bzw. gemischt venöse Sauerstoffsättigung (SvO2) > 70%
- zentrale Körpertemperatur > 35°C
- Urinvolumen 1–2 ml/kg KG/h (abhängig von einer eventuell vorbestehenden eingeschränkten Nierenfunktion)
- Na 135–145 mmol/l (insbesondere sollte eine Hypernatriämie mit einem Na > 150 mmol/l sofort aktiv korrigiert werden, s.u.)
- K 3,5–5 mmol/l
- Blutzucker < 180 mg/dl (< 10 mmol/l)
- arterielle Blutgase im Normbereich (Ausnahme permissive Hyperkapnie)
- Laktat < 3 mmol/l
Als erweiterte Parameter werden angegeben:
- Herzindex (CI) 3,0–5,0 l/min/m2
- Schlagvolumenindex (SVI) 40–60 ml/m2
- pulmonalarterieller Verschlussdruck (PAOD) < 12 mmHg
- systemisch vaskulärer Widerstandsindex (SVRI) 2000 ± 500 dyn x s x cm-5
- intrathorakaler Blutvolumen-Index (ITBVI) > 850–1000 ml/m2
- extravasaler Lungenwasser-Index (ELWI) 3–7 ml/kg
Anhang
Anmerkungen
- ↑ Außerhalb der Biologie gibt es es auch den Begriff der Homöostase für die Selbstregulierung von Systemen.
- ↑ Hirntote haben weder Hunger noch Durst. Damit der Körper nicht Schaden nimmt, werden Hirntote künstlich ernährt.
- ↑ Der Mensch ist ein Warmblütler, seine Körper hat eine gleichbleibende Temperatur zwischen 36 und 37°C, unabhängig von der Umgebungstemperatur. Wenn es kalt ist, frieren wir. Die Blutgefäße in Amen und Beinen werden enger und damit weniger von Blut durchflossen. Damit verliert der Oberkörper weniger Wärme und kann noch die angestrebten 36°C längere Zeit halten. - Beim Frieren schlottern wir. Durch diese rhythmischen Muskelbewegungen erzeugt unser Körper Wärme und kämpft damit gegen die Unterkühlung an.
Bei einigen Hirntoten ist diese Selbstregulierung der Körpertemperatur gestört oder ausgefallen. Sie werden damit zu wechselwarmen Wesen (Wechselblütler), d.h. sie nehmen für ihren Körper die Temperatur der Umgebung an. Da eine Unterkühlung unserem Körper nicht gut tut, werden diese Hirntote mit Wärmedecken auf 36°C Körpertemperatur gehalten.
Einzelnachweise
- ↑ Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl: Physiologie. 7. Auflage. Stuttgart 2014, 33.
- ↑ Armin Kurztz: Atmung. In: Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl: Physiologie. 7. Auflage. Stuttgart 2014, 351.
- ↑ Michael Gekle, Dominique Singer: Wärmehaushalt und Temperaturregulation. In: Stefan Silbernagel: Wer liest schon Einleitungen? In: Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl: Physiologie. 7. Auflage. Stuttgart 2014, 575.
- ↑ Hans-Peter Schlake, Klaus Rosen: Der Hirntod als der Tod des Menschen. 2. Auflage. Neu-Isenburg 2001, 22.
- ↑ Siehe: DSO: Verfahrensanweisungen nach § 11 des Transplantationsgesetzes. 3. Aktualisierung. Frankfurt 2017, 6. Nach: https://www.dso.de/uploads/tx_dsodl/verfahrensanweisungen_01.pdf Zugriff am 9.3.2018.
- ↑ Siehe: DSO: Leitfaden für die Organspende. Ausführliche Fachinformationen für ärztliches und pflegerisches Personal auf Intensivstationen. 4. Auflage. Frankfurt 2016, Kapitel 6.2.2. Nach: https://www.dso.de/uploads/tx_dsodl/Leitfaden.pdf Zugriff am 9.3.2018.