Weiden
Der Vorfall
Im Weidener Krankenhaus wurde am 10.08.2024 Petra F. eingeliefert, die schon 17 Jahre erfolgreich gegen ihren Brustkrebs kämpfte. Nun aber hatte sich der Krebs auch in ihrem Gehirn ausgebreitet. Die Ärzte sahen keine Chance, jetzt noch wirksam einzugreifen und schlugen eine Verlegung auf eine Palliativstation vor, um das Sterben möglichst gut zu gestalten. Doch Petra F. wollte noch nicht sterben und verlangte von den Ärzten jegliche mögliche Weiterbehandlung. Als Petra F. künstlich beatmet werden musste setzte ihr Mann Michael F. den Wunsch seiner Frau fort. Aufgrund der massiven Hirnschwellung und neurologischen Ausfälle sprachen die Ärzte mit Michael F. über die Durchführung einer Hirntoddiagnostik. Da informiert Michael F. Polizei und Staatsanwaltschaft und drohte, die Diagnostik nicht anzuerkennen und rechtlich dagegen vorzugehen. Hierauf ließen sich die Weidener Ärzte weiterhin 4 Wochen Zeit, bis sie schließlich am 29.09.2024 die HTD durchführen. Für das EEG lassen sie sich statt der geforderten 30 Minuten sogar 40 Minuten Zeit. Die beiden untersuchenden Ärzte stellten unabhängig voneinander den Hirntod von Petra F. fest.[1]
Die Situation von Petra F. mit der fortgeschrittenen Krebserkrankung und mit Tumoren im Kopf bezeichneten Ärzte als inoperabel. Die Folge war eine massive Hirnschwellung. Am 31.08.2023 ergab eine CTA kaum noch Blutzufuhr zum Gehirn. Am 29.09.2023 ergab ein EEG eine Nulllinie. Ein Arzt stellte den Hirntod fest. Ein Neurologe aus Bamberg bestätigte den Befund. Damit war der Hirntod regelkonform festgestellt. Doch der Ehemann und der 31-jährige Sohn erkannten das nicht als den Tod der Patientin an, da diese sich noch bewegte.[2]
Eine Verlegung nach Haus in den Landkreis Schwandorf wurde kurz diskutiert, aber sogleich verworfen, da die Hirntote beatmungspflichtig war. Außerdem dürfen in einem Rettungswagen nach dem Gesetz keine Tote und damit auch keine Hirntote transportiert werden.[2]
Die Ärzte befürchten einerseits, dass die Angehörige an die Öffentlichkeit gehen und dass sie von den Angehörigen gerichtlich angeklagt werden. Sie wollen daher verständlicher Weise dieses brandheiße Eisen loswerden. Daher trägt ein Oberarzt auf der Todesbescheinigung "ungeklärt" ein, damit die Staatsanwaltschaft als unabhängige Stelle den Fall übernimmt und somit staatlich gesicherte Rechtssicherheit herstellt. Doch mit diesem "ungeklärt" gaben die Ärzte alle Handlungsmöglichkeiten an die Justiz ab. Für die Eintragung "ungeklärt" muss die Kriminalpolizei klären und bestimmt, dass die intensivmedizinische Therapie weiter fortgesetzt werden muss. Der Staatsanwalt lässt sich mit seiner Entscheidung Zeit, die Michael F. dazu nutzt, beim Gerichts seines Heimatortes eine einstweilige Verfügung zu erwirken, dass die intensivmedizinische Behandlung weiter fortgesetzt werden muss, denn für ihn lebt noch seine Frau. Ein Gutachter wird später feststellen, dass Petra F. an den Folgen ihrer Krebserkrankung gestorben ist, somit natürlicher Tod.[1]
Als die Amtsrichterin von Michael F. und dessen Sohn von den Bewegungen von Petra F. hört, kommen ihr "nicht zu beseitigende Zweifel", dass Petra F. hirntot sei. Entgegen aller Argumente der Ärzte ordnet die Richterin an, dass die intensivmedizinische Therapie wie auch die Krebstherapie fortgesetzt werden muss.[Anm. 1] Doch gerade dies wollte das Klinikpersonal - Ärzte und Pflegekräfte - mit diesem "ungeklärt" verhindern. Nun aber wurden sie gerichtlich dazu verpflichtet. Auch wies die Amtsrichterin den Antrag der Klinik zurück, dass Familie F. für die Behandlungskosten seit der Feststellung des Hirntodes aufzukommen. Die Krankenkassen zahlen jedoch nach der Todesfeststellung keine Weiterbehandlung, dies gilt auch bei Hirntod.[1]
Am 21.10.2023 zog das Klinikum Frank Erbguth, er war über 20 Jahre Chef der Neurologie am Klinikum Nürnberg, für eine erneute HTD hinzu. Auch er stellte den Hirntod fest. Da der Ehemann über diesen Schritt nicht informiert war, empfand die Anwältin der Familie dies als „hinterrücks“. Für den Ehemann und den Sohn lebt die Hirntote. Daher wehrten sie sich sogar gerichtlich gegen eine Beendigung der künstlichen Beatmung, was zum Herzstillstand binnen Minuten führen würde.[2]
Die Klinik wollte die Therapie beendet wissen und holte daher den Neurologen Frank Erbguth hinzu. Auch er führte eine HTD durch und belegte in seinem 30-seitigen Gutachten: "Zweifellos ist Frau F. seit dem 29. September 2023, 22 Uhr hirntot." Dies war das Datum, an dem die erste HTD an Petra F. durchgeführt wurde. Dem Landgericht Weiden reichte das im Berufungsverfahren nicht aus. Die Richter bestätigten am 21.11.2023 das Urteil der Amtsrichterin auf Weiterbehandlung bis zur Hauptverhandlung am 20.12.2023. Nun bestellte das Landgericht die Neurologin Stefanie Förderreuther als Gutachterin für eine erneute HTD. Ein Fall, wie dieser sei ihr noch nie untergekommen. Petra F. ist schon lange hirntot. Die Richter hören Stefanie Föderreuther an und vertagt sich. Mitte Januar 2024 will man sich wieder treffen. Doch am 12.01.2024 bleibt für immer das Herz von Petra F. stehen.[1]
Vor einer Gerichtsverhandlung habe der Ehemann sich in die Materie eingelesen und verschiedene „Fachleute“ kontaktiert, wobei es sich wohl um Kritiker des Hirntodkonzepts handeln dürfte. So telefonierte der Ehemann vor der Gerichtsverhandlung mit Rainer Beckmann, seit 2000 Richter am Amtsgericht Würzburg.[2] In den Jahren 1996 bis 2020 veröffentlichte Rainer Beckmann mindestens 6 Artikel, in denen er die Gleichsetzung von Hirntod und Tod des Menschen bestreitet. Da sich die Familie gegen die Durchführung der HTD wehrte, stellt sich die Frage, ob sie dies aus dem von Adelheit von Stösser am 13.01.2020 verfassten offenen Brief an die Mitglieder des deutschen Bundestags hat.[3]
"Die 1. Zivilkammer am Landgericht Weiden fällt am Freitag ein eindeutiges Urteil. Aus Sicht der Richter ist der Hirntod an einer 58-jährigen Patientin im Klinikum Weiden im September völlig korrekt festgestellt worden."[4]
"Links Anwältin Alexandra Glufke-Böhm, rechts Klinik-Justiziarin Dr. Christa Kraemer und Anwalt Dr. Philip Schelling. Foto: Christine Ascherl"[4]
"Damit wäre der Totenschein mit Datum vom 29. September 2023 gültig. Ab diesem Zeitpunkt zahlt die Krankenkasse nicht mehr. Für die 106 Tage der Behandlung auf der Intensivstation müsste damit die Familie aufkommen. Der Betrag ist sechsstellig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Rechtsmittel sind möglich."[4]
Fazit
Die Familie F. verschließt die Augen vor der Realität und klaget über mangelnde Klarheit. Statt dessen klagen sie über das "zermürbenden Verfahren“ und sprechen davon, dass alles "grausam" ist. Sie fordern seit September Untersuchungen und verhindern die Durchführung der Hirntoddiagnostik. Als diese gerichtlich angeordnet durchgeführt und der Hirntod festgestellt wurde, erkennen sie es nicht an, dass die Ehefrau und Mutter tot ist. Sie blockieren alles und stellen sich als Opfer dar. Ja, sie sind Opfer. Opfer, dass sie um eine Verstorbene zu trauern haben. Alle andere Beschwernisse verursachen sie sich selbst. Es entsteht der Eindruck, dass sie von Gegnern des Hirntodkonzepts nicht nur verblendet, sondern vielleicht auch instrumentalisiert wurden. Damit sind sie Opfer der Gegner des Hirntodkonzepts.
Doch müssten im Angesicht des Todes nicht andere Maßstäbe gelten? Müssen Gerichte nicht auch die sozialen Folgen beachten: die vielwöchige mentale Belastung der Pflegekräfte und Ärzte, die eine Tote versorgen müssen? Die enormen Ausgaben (bis zu 2.000 Euro kann eine Intensivbehandlung am Tag kosten), ein für Notfälle monatelang nicht verfügbares Intensivpflegebett? Weder die Richter noch der Gerichtspräsident wollen sich dazu äußern.[1] |
Stirbt doch jemand, muss eine Katastrophe dahinterstecken, mindestens muss jemand einen Fehler gemacht haben. Deshalb fordern Angehörige Krankenakten an und laufen zu Anwälten und Gerichten. Deshalb behandeln Ärzte lieber zu viel als zu wenig, um sich nichts vorwerfen zu lassen. Deshalb kann eine Amtsrichterin die Todesfeststellung von vier Ärzten nicht akzeptieren, wenn ein Angehöriger ein Augenkneifen gesehen haben will. Deshalb zieht sich ein Gericht auf die formale Verfahrensweise zurück. Bürokratische Prozesse sind mehr wert als die Wahrung der Totenruhe.[1] |
Artikel
In MedR (20.02.2024) 149 heißt es:[5]
1. Die Einschränkungen der §§ 529, 531 ZPO finden bei einstweiliger Verfügung im Berufungsverfahren aufgrund der besonderen Natur des einstweiligen Rechtsschutzes keine Anwendung.
2. Ein juristischer Todesbegriff, welcher auf den endgültigen Stillstand von Atmung und Kreislauf abstellt, ist für Fälle der intensivmedizinischen Behandlung ungeeignet, in denen der Kreislauf mit maschinellen Hilfsmitteln künstlich aufrechterhalten wird; maßgeblich ist stattdessen der (Gesamt-)Hirntod. 3. Streiten die Parteien im einstweiligen Rechtsschutz über die Gültigkeit einer Hirntodfeststellung, ist ein Unterlassungsanspruch gegen die Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen unter Berücksichtigung der irreversiblen Folgen der zu treffenden Entscheidung für das Leben des Patienten bereits dann glaubhaft gemacht, wenn der Patient Zweifel an der Hirntodfeststellung aufzeigt, die nicht ohne Zuziehung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen beurteilt werden können. 4. Die Kammer braucht nicht zu entscheiden, ob ein Hirntodfeststellungsverfahren unter Zuziehung eines externen Arztes der Einwilligung des Patienten bzw. seines Vorsorgebevollmächtigten bedarf und diesem Behandlungsunterlagen nur bei entsprechender Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zugänglich gemacht werden dürfen. |
zu 3.
Bei Zweifel über die korrekte Todesfeststellung bei Hirntod hat das Gericht zunächst eine Fortsetzung der intensivmedizinischen Therapie anzuordnen, aber gleichzeitig auch einen Neurologen oder Neurochirurgen mit der Überprüfung des Sachverhalts zu beauftragen. Die "unverzügliche" Feststellung des Todes - auch des Hirntodes - verlangen die BestG aller 16 Bundesländer.
zu 4.
Richter besitzen nicht die Expertise für eine Todesfeststellung und schon gar nicht für die Feststellung des Hirntodes. Daher haben Richter hierbei unverzüglich entsprechende Sachverständige mit der Klärung zu beauftragen.
Bei der Feststellung des Hirntodes geht es nicht um "Behandlungsunterlagen", sondern um die Feststellung des Sachverhalts, tot oder lebend. Daher braucht für die Todesfeststellung kein Arzt von der Schweigepflicht entbunden werden. - In Art 3 BestG BY heißt es zur Durchführung der Leichenschau sogar: "Der Inhaber der tatsächlichen Gewalt hat ihnen Grundstücke, Räume und bewegliche Sachen zugänglich zu machen."
In MedR (01.07.2024) 516 schreibt Daniela Hery:[6]
Ob der „Hirntod“ im Einzelfall entsprechend der einschlägigen Richtlinie korrekt festgestellt worden ist, kann – wie im vorliegenden Fall – auch durch Zeugenaussagen angezweifelt werden. Wenn zur Überzeugung des Gerichts bei einem Patienten Bewegungen vorhanden sind, die einem „irreversiblen Hirnfunktionsausfall“ im Sinne der BÄK-Richtlinie widersprechen, ist der Verfügungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht. |
Siehe: spinale Reflexe, Leben der Hirntoten - Beim Hirntod gibt es kein "hinreichend glaubhaft gemacht" durch die Angehörigen bzw. Hinterbliebenen. Da gibt es nur eine sofortige Klärung durch einen Sachverständigen.
{{Zitat|Stützt sich das Gericht in seinen Erwägungen auf die „Hirntod“-Richtlinie der Bundesärztekammer (deren Rechtsnatur nicht endgültig geklärt ist), muss es von deren Richtigkeit bzw. Rechtmäßigkeit überzeugt sein."
In § 16 TPG ist die BÄK damit beauftragt, "den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien" festzulegen. Seit dem Jahr 2015 geschieht dies in Abstimmung mit dem BMG. Damit ist die Rechtsnatur ausreichend geklärt.
Sollten Weidener Richter auf der Grundlage dieses Zitates die Todesfeststellung von Petra F. nicht anerkannt haben, ist dies ein grober Verstoß gegen geltendes Recht.[Anm. 2]
Werden im Prozess Zweifel an der Gültigkeit der Richtlinie vorgebracht, muss die Überzeugung des Gerichts in der Entscheidung auch dargelegt und begründet werden. |
Wenn Richter Zweifel an der Gültigkeit der Richtlinie haben, haben sich diese an die Verfasser dieser Richtlinie zu wenden, d.h. in diesem Fall an die BÄK und/oder an das BMG. Es darf sich aber kein Richter aufgrund von überzeugenden Worten zu einem Sachverhalt, von dem der Richter keine Sachkenntnis hat, einfach über die Richtlinie hinweg setzen.
In MedR (01.07.2024) 42: 516–521 erschien der Artikel "Anspruch auf Fortsetzung der intensiv medizinischen Behandlung bei Zweifeln an der Gültigkeit einer „Hirntodfeststellung'".[7] Darin heißt es:
Die Kammer hatte vorliegend aufgrund der besonderen Natur des einstweiligen Rechtsschutzes ihrer Entscheidung sämtliche neuen Tatsachen sowie neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel zugrunde zu legen. |
Hier wurde niemand angegriffen, auch wenn Herr F. dies so dargestellt haben könnte. Was hier notwendig gewesen wäre, eine sofortige Klärung des Sachverhalts durch einen Sachverständigen herbeizuführen.
Die Kammer hatte bei ihrer Entscheidung daher sämtlichen neuen Tatsachenvortrag der Parteien sowie sämtliche vorgebrachten Glaubhaftmachungsmittel zu berücksichtigen. |
Die Richter haben alles zu berücksichtigen, aber sie haben keine Rechtsgrundlage, einen Toten als Lebenden darzustellen, was de facto in Weiden geschah.
Es gelten, wenn es um Glaubhaftmachung und Gegenglaubhaftmachung geht, die allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast (OLG Dresden, Beschl. v. 27. 8. 2018 |
Bei der Klärung, ob hirntot oder nicht hirntot, hat jeder Richter sofort einen Sachverständigen mit der Klärung zu beauftragen. In Weiden sind die Richter Opfer dieses Satzes geworden: "Lieber eine starke Behauptung als ein schwacher Beweis."[Anm. 3] Bei der Frage, ob hirntot oder nicht hirntot, sollte nicht die Darlegung gelten, sondern die Beweise von Ärzten.
Wo Glaubhaftmachung zugelassen ist, gilt das auch für Gegenbehauptungen und Einwendungen des Gegners (Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024, § 294 ZPO, Rdnr. 2). |
Leben der Hirntoten, Intermediäres Leben, spinale Reflexe - Welcher Richter, der über hirntot oder nicht hirntot entscheidet, weiß davon?
Die Behauptung ist schon dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn bei der erforderlichen umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Falls mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptung spricht als dagegen. |
Das Leben der Hirntoten ist zutreffend, aber sind deswegen Hirntote Lebende?
Wie in der Literatur zu Recht kritisiert wird, ist die von der Rechtsprechung häufig verwendete Formel, es genüge eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“, unscharf (Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024, § 294 ZPO, Rdnr. 6). |
In Weiden siegte die Überzeugungskraft von Herrn F. gegen die Fakten der Ärzte. Das sollte in Deutschland nie wieder erfolgen.
Gemessen an diesem Maßstab hat die Verf Kl. einen Unterlassungsanspruch gerichtet darauf, ihr Leben durch Abschalten der Geräte bzw. Beendigung der Therapie nicht zu beenden, glaubhaft gemacht. |
In Weiden siegte die Überzeugungskraft von Herrn F. gegen die Fakten der Ärzte.
Im Gegensatz zur Regelung des § 1 BGB für den Beginn der Rechtsfähigkeit gibt das BGB keine Kriterien dafür an, wann der Tod als eingetreten anzusehen ist. |
Mit dem BGB wurde (absichtlich?) an falscher Stelle gesucht. Todesfeststellung ist in den BestG und beim Hirntod im TPG niedergeschrieben. - Ich suche auch nicht im BGB, ob ich bei Rot über die Kreuzung darf.
Wenn die Justiz im einem Gesetz eine Todesdefinition haben will, soll sie sich darum kümmern.[Anm. 4] Solange er aber den Juristen nicht ausreichend definiert ist, soll er die Todesfeststellung den Ärzten überlassen.
Aus demselben Grund sind Auffassungen abzulehnen, welche das Konzept des Hirntodes generell ablehnen (so etwa Beckmann, JZ 2023, 947). |
Sehr richtig.
Für die Definition des Hirntodes ist die Definition in § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG heranzuziehen. Dort wird der Hirntod dahingehend definiert, dass der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt sein muss. Der Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft wird gem. § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TPG in einer Richtlinie der Bundesärztekammer festgestellt. Nach deren aktueller Fassung (Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TPG für die Regeln zur Feststellung des Todes nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TPG und die Verfahrensregeln zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG |
Sehr richtig.
Am 21. 10. 2023 wurde die Verf Kl. von Prof. Dr. C. und Dr. D., einer Ärztin der Bekl. zu 1), ohne Einverständnis des Vorsorgebevollmächtigten erneut klinisch untersucht. |
Für die Feststellung des Todes braucht man kein Einverständnis. Im Gegengeil: Art 3 BestG BY
Es kann daher offen bleiben, ob die Hirntodfeststellung v. 21. 10. 2023 angesichts der fehlenden Einwilligung und Schweigepflichtsentbindung durch den Vorsorgebevollmächtigten der Verf Kl. rechtswidrig erfolgte. |
Siehe: Art 3 BestG BY
Es besteht außerdem ein Anspruch der Verf Kl. gegen die Bekl. auf Wiederaufnahme und Fortsetzung der tumorspezifischen Therapie sowie die Gabe von Vitaminen und darmbeeinflussenden Medikamenten aufgrund vertraglicher Verpflichtung, § 630 a Abs. 1 BGB |
Die "Fortsetzung der tumorspezifischen Therapie" bei einer Patientin mit Hirnmetastasen, die bereits eine künstliche Beatmung erforderlich machen, ist absolut sinnlos. In diesem Gesamtzustand der Patientin gibt es kein onkologisches Therapieziel. Wegen infauster Prognose entfällt diese medizinische Indikation.
Unstreitig haben sich die Verf Kl., der Vorsorgebevollmächtigte und die Bekl. zu 1) im August 2023 ungeachtet der infausten Prognose auf eine weitere Tumortherapie im Rahmen eines individuellen Heilversuchs geeinigt. |
Diese Einigung endete jedoch mit der Feststellung des Hirntodes, denn mit dem Tod endet die Behandlungspflicht des Arztes.[Anm. 5]
Der Anspruch ist vorliegend auch nicht durch die Hirntodfeststellungen entfallen, nachdem
insoweit Zweifel bestehen, ob bei der Verf Kl. der Hirntod tatsächlich eingetreten ist (vgl. Ziff. 2.2.2.4.). |
Korrekt, aber das Gericht hätte sofort die Richtigkeit der Hirntoddiagnose durch einen Sachverständigen überprüfen lassen müssen.
Es müssen daher die für die Bekl. drohenden Nachteile bei Erlass der Maßnahme und späterer
Auf hebung infolge des Urteils im Hauptsacheprozess, wie mögliche Engpässe bei der Versorgung von Intensivpatienten oder finanzielle Schäden, vorliegend hinter dem Interesse der Verf Kl. zurückstehen. |
Ja, aber das Gericht hat unverzüglich zu prüfen, ob Petra F. hirntot ist oder nicht.
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In MedR (2024) 516–521 heißt es weiter:
Anhang
Anmerkungen
- ↑ Persönliche Anmerkung: "Wenn man schon keine Ahnung hat, sollte man den Mut zur Entscheidung haben." Die Amtsrichterin scheint diesem Spruch gefolgt zu sein.
- ↑ Sinzig
- ↑ Ich habe mit Herrn F. zweimal telefoniert und dabei erfahren, welch große Überzeugungskraft dieser hat. Dieser Überzeugungskraft sind die Weidener Richter zum Opfer geworden.
- ↑ Es war ein Jurist des 19. Jh., der meinte, man müsse den Tod nicht definieren, weil er eine natürliche Sache sei.
- ↑ Grundsatz: Mit dem Tod enden alle Verträge.
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f Kasten Poleke-Majewski: Petra darf nicht sterben. In: Die Zeit (11.07.2024). Nach: https://www.zeit.de/2024/30/medizin-hirntod-rechtsstreit-krankenhaus-gericht?freebie=5c6fc77a Zugriff am 12.08.2024.
- ↑ a b c d Ascherl, Christine: Patientin gilt als hirntot: Familie wehrt sich gegen Abschalten. In. Oberpfalzecho (22.11.2023) Nach: https://www.oberpfalzecho.de/beitrag/patientin-gilt-als-hirntot-familie-wehrt-sich-gegen-abschalten. Zugriff am 29.11.2023.
- ↑ Adelheid von Stösser: Widerspruch tut Not. (13.01.2020) Nach: https://pflegeethik-initiative.de/2020/01/13/widerspruch-tut-not Zugriff am 29.11.2023.
- ↑ a b c https://www.oberpfalzecho.de/beitrag/landgericht-weiden-kein-zweifel-an-hirntoddiagnose Zugriff am 01.12.2024.
- ↑ MedR (20.02.2024) 42: 149.
- ↑ MedR (2024) 42: 516.
- ↑ MedR (2024) 42: 516–521