Entscheidungshilfen
Mit der Änderung des Transplantationsgesetzes (TPG) vom 1.11.2012 werden in Deutschland alle Menschen über 16 Jahre aufgefordert, sich mit dem Thema Organtransplantation auseinanderzusetzen und möglichst eine persönliche Entscheidung für oder gegen eine eigene Organspende zu treffen (sog. „Entscheidungslösung“). Hierzu schreiben alle Krankenkassen flächendeckend alle Versicherten an, informieren und stellen einen sog. "Organspendeausweis" zur Verfügung.
Mit dem vorliegenden Text werden Hilfestellungen zur persönlichen Entscheidungsfindung zu dem Thema zur Verfügung gestellt. Hierbei wird immer wieder auf Seiten dieses Organspende-Wikis verlinkt, da dort weitere Informationen stehen.
Gründe der Organtransplantation
Die Angaben gelten für Deutschland im Jahr 2013: Anzahl der Transplantierten[1], die Anmeldungen[2], Anzahl der für eine TX auf der Warteliste stehenden Patienten in Deutschland am 31.12.2013[3] und der im Jahr 2013 auf der Warteliste verstorbenen Patienten.[4]
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In Deutschland gibt es Tausende von Menschen, die durch Erkrankung eines ihrer Organe eine sehr geringe Lebensqualität haben (Nierenkranke) oder gar vom Tode bedroht sind (Herz-, Lunge-, Leberkranke). Die moderne Medizin kann durch eine Organtransplantation ihre Lebensqualität verbessern und damit ihre Lebensfreude zurück geben (Nierenkranke) und den drohenden Tod abwenden.
Den 4.068 im Jahre 2013 durchgeführten TX stehen 4.928 Neuanmeldungen gegenüber. Dabei sind die Wiederholungsanmeldungen noch nicht berücksichtigt. So standen am 31.12.2013 bei Eurotransplant für Deutschland 10.784 Patienten für ein Spenderorgan auf der Warteliste. 930 auf der Warteliste stehende Patienten starben im Jahr 2013. Für sie kam das rettende Organ zu spät.
Sehr drastische verhält es sich bei Leber-kranken Patienten: Im Jahre 2013 wurden 970 Leber-TX durchgeführt. Es kamen aber 1.305 Patienten neu auf die Warteliste. Dies ist ein Überschuss von 34,5%. - Noch erschreckender ist das Faktum, dass im gleichen Zeitraum 368 für eine Leber-TX auf der Warteliste stehende Patienten gestorben sind. Dies sind 24,7% der am 31.12.2013 für eine Leber-TX noch auf der Warteliste stehende Patienten.
Damit ist jeder schwer kranke Patient, dessen Leben durch eine TX gerettet werden kann, ein Grund, sich ernsthaft zu fragen, ob man im Falle seines Hirntods einer Organspende zustimmt.
Potential der Organspende
Im Jahr 2013 standen in Deutschland 1.370 potenzielle Organspender zur Verfügung. Bei 876 Hirntoten lag eine Zustimmung zur Organspende vor und konnte eine Organentnahme durchgeführt werden, bei 82 konnte sie aus verschiedenen Gründen nicht durchgeführt werden. Bei 402 Hirntoten wurde die Anfrage zur Organspende verneint.[5] - Hätten alle diese 402 Organverweigerer der Organspende zugestimmt, wäre kaum einer dieser 368 Patienten gestorben.
Bei den insgesamt 1.370 potentiellen Organspendern handelt es sich ausschließlich um die körperlich gesunden Hirntoten, deren Organe transplantiert werden können. Alle Hirntoten mit so schlechten Organen, dass diese nicht transplantiert werden können, sind bei den rund 4.000 anderen Hirntoten, bei denen die Frage um Organspende gar nicht gestellt wurde. Daher kann von rund 400 transplantierbaren Lebern, Herzen und Lungen sowie 800 transplantierbaren Nieren ausgegangen werden, die durch die Verweigerung der Organspende verloren gegangen sind. Mit ihnen hätte man nahezu jedes Leben der verstorbenen Patienten retten können. Bei den auf eine Niere wartende Patienten hätte man die Warteliste spürbar verkleinern können.
Verpflichtung zur Organspende
Der Gesetzgeber hat die Wahl zwischen drei Grundmodellen der Organspende:
- Zustimmungsregelung
Bei der Zustimmungsregelung muss für die Organentnahme eine Zustimmung vorliegen. Andernfalls darf keine Organentnahme erfolgen.- Enge Zustimmungsregelung
Bei der engen Zustimmungsregelung muss für die Organentnahme die Zustimmung des Hirntoten vorliegen. - Erweiterte Zustimmungsregelung
Bei der erweiterten Zustimmungsregelung muss für die Organentnahme die Zustimmung des Hirntoten vorliegen. Hat dieser sich nicht zur Organspende geäußert, können die Hinterbliebenen diese Zustimmung geben.
- Enge Zustimmungsregelung
- Widerspruchsregelung
Bei der Widerspruchsregelung muss der Hirntote bei Lebzeiten der Organentnahme widersprochen haben. Hierzu wird in diesen Ländern ein eigenes Widerspruchsregister geführt, in das man sich hierzu eintragen kann. Hatte der Hirntote zu Lebzeiten nicht der Organentnahme widersprochen, gilt dies als Zustimmung zur Organentnahme. - Notstandsregelung
Bei der Notstandsregelung wird die Not der Patienten als Grund gesehen, dass alle Hirntoten per Gesetz auch Organspender sind.[Anm. 2]
In Deutschland und der Schweiz hat sich der Gesetzgeber für die Zustimmungsregelung entschieden, in Österreich für die Widerspruchsregelung. In Deutschland ist seit November 2012 die Zustimmungsregelung in der Form der Erklärungsregelung ausgeführt. D.h. dass sich jeder Bürger zur Organspende erklären soll. Dazu werden alle Versicherten von ihrer Krankenversicherung angeschrieben. Mit seiner eigenen schriftlichen Erklärung gegenüber der Organspende wird den Hinterbliebenen die Bürde der Entscheidung genommen.
Anhang
Anmerkungen
- ↑ Der zahlenmäßig geringere Bedarf an Organen (<10) wurde nicht aufgeführt. Daher fällt die Summe größer aus als die Summe der hier genannten Organe.
- ↑ Eine mögliche Verweigerung der Organentnahme wird als unterlassene Hilfeleistung gesehen. In den meisten Ländern steht unterlassene Hilfeleistung unter Strafe. - In Deutschland heißt es hierzu in § 323c Strafgesetzbuch (StGB):
Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. In Österreich heißt es hierzu in § 95 StGB (Unterlassung der Hilfeleistung):
Wer es bei einem Unglücksfall oder einer Gemeingefahr (§ 176) unterläßt, die zur Rettung eines Menschen aus der Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung offensichtlich erforderliche Hilfe zu leisten, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, wenn die Unterlassung der Hilfeleistung jedoch den Tod eines Menschen zur Folge hat, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, daß die Hilfeleistung dem Täter nicht zuzumuten ist. In der Schweiz heißt es hierzu in Art. 128 (120) StGB (Unterlassung der Nothilfe):
Wer einem Menschen, den er verletzt hat, oder einem Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte, wer andere davon abhält, Nothilfe zu leisten, oder sie dabei behindert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. - ↑ o
Einzelnachweise
- ↑ DSO: Jahresbericht 2013. Hierbei sind für die TX Lebendspende und Totspende zusammengefasst (bei Niere 31,9% Lebendspende).
- ↑ DSO: Jahresbericht 2013. Hierbei sind nur die Neuanmeldungen genannt, ohne die Wiederholungsanmeldungen (< insgesamte Bedarf).
- ↑ Eurotransplant Monatsstatistik Zugriff am 25.1.2014.
- ↑ http://statistics.eurotransplant.org/reportloader.php?report=73738-30349&format=html&download=0 Zugriff am 27.1.2014.
- ↑ DSO: Jahresbericht 2013, Seite 42.
Bei den 402 Ablehnungen lag bei 2,0% eine schriftliche Willenserklärung (z.B. Organspendeausweis) vor, bei 35,1% war der mündlich geäußerte Wille bekannt, bei 24,6% wurde der Wille vermutet, bei 38,3% entschieden die Hinterbliebenen. (DSO: Jahresbericht 2013, Seite 44.)